Albanien

Kult um Mutter Theresa

Ein riesiges, aus Muscheln zusammengesetztes Bild von Mutter Teresa verdeckt in der neuen katholischen Kathedrale von Tirana den Beichtstuhl. Gläubige knien davor und beten für die Heiligsprechung der Nonne. Selig gesprochen ist die in Skopje geborene Tochter albanischer Eltern schon seit sieben Jahren. Hilfsbischof George Frendo glaubt fest daran, dass Rom Mutter Teresa, die jahrzehntelang in den Slums von Kalkutta lebte, heilig sprechen wird. „Wir beten für sie und fiebern ihrem Geburtstag entgegen“. Im kommenden Jahr wird die ihr geweihte Kathedrale in Pristina fertig gestellt.

Mutter Teresa sei schon jetzt eine Ikone für die Albaner, sagt der Weihbischof. Für ihn sind die Debatten um die Abstammung und ethnische Zugehörigkeit der Ordensfrau Vergangenheit. Mutter Teresa wurde als Tochter albanischer Eltern am 26. August 1910 in Üsküb, dem heutigen Skopje, geboren. Damals gehörte die heutige Hauptstadt Mazedoniens noch zum Osmanischen Reich. „Ich erinnere mich an eine Debatte mit dem Bürgermeister von Rom, als man ein Denkmal von Mutter Teresa auf der Piazza Macedonia aufstellen wollte. Da gab es massenhaft Proteste. Für mich ist Mutter Teresa Albanerin, so hat sie es selbst in ihrer Friedensnobelpreisrede gesagt.“

Für den Bischof wie für viele Landsleute verbindet sich der Name der Wohltäterin mit nationalem Stolz. Die Menschen auf der Straße erinnern sich an sie vor allem als eine weltweit anerkannte Persönlichkeit, die mit ihrem Wirken das kleine isolierte Land auf die Bühne des Weltgeschehens zurückholte. Damit vergisst man oft das jahrelange Schweigen um ihre Person im Kommunismus. Mehrfach verweigerte ihr das Regime von Ramiz Alia die Einreise.

Der Dichter Ahmet Mehmeti aus Elbasan, selbst Muslim, erinnert sich an ihren ersten Besuch im Jahr 1991. „Selbst aus dem Auto heraus kam sie Allen wie eine Erscheinung vor.“ Seitdem hat er, wie viele andere Albaner, unzählige Gedichte über sie verfasst. Ihr katholischer Glaube ist für ihn sekundär. „Was bleibt, ist ihre Barmherzigkeit, und die ist nicht an eine bestimmte Religion gebunden“, meint er.

Mittlerweile trägt auch der albanische Staat zum Kult um Mutter Teresa bei. Wichtige Einrichtungen in Tirana tragen ihren Namen: der neue mit deutscher Hilfe erbaute Flughafen, die Universitätsklinik und auch die katholische Universität. Das Kultusministerium hat sich in die Planungen des Festprogramms zum 100. Geburtstag der Friedensnobelpreisträgerin eingeschaltet. Erstmals sollen an diesem Tag Entwürfe für ein nationales Mutter Teresa-Denkmal im Herzen der Hauptstadt vorgestellt werden.

In diesem Jahr, das vom albanischen Staat und der katholischen Kirche gemeinsam zum „Jahr der Mutter Teresa“ erklärt wurde, scheinen die Debatten um ihre Figur ebenso vergessen zu sein wie die lange Zeit des stalinistischen Atheismus, in der die Wohltäterin systematisch totgeschwiegen wurde. Kontroversen hingegen entzünden sich zumeist an ihrer Herkunft und der immer wieder damit verbundenen ethnischen Vereinnahmung der Ordenschwester. Wissenschaftler streiten, ob sie der Spross einer aromunischen oder einer albanischen Familie war. Da ihr Geburtsort in der Hauptstadt der heutigen Republik Mazedonien liegt, wird Mutter Teresa aber auch immer wieder als Mazedonierin bezeichnet.

In Tirana hält man dem die Worte ihrer Nobelpreisrede entgegen, in der sich die Ordensgründerin selbst zu ihrer albanischen Herkunft bekannte. Inzwischen scheint der national einende Symbolcharakter von Mutter Teresa aber unbestritten zu sein. Sie hat neben dem albanischen Nationalhelden Skanderbeg einen wichtigen Platz in der nationalen Mythologie eingenommen – auch wenn sich hin und wieder Widerstand bei der islamischen Gemeinschaft des mehrheitlich muslimischen Landes regt. Olsi Jazexhi, Kommunikationswissenschaftler und Leiter eines islamischen Instituts, behauptete jüngst in einer Fernsehdebatte, dass Mutter Teresa ein christlicher Mythos sei, der der islamischen Welt aufgedrängt wurde.

Viele Albaner teilen diese religiös zugespitzte Ansicht nicht. Für sie ist und bleibt Mutter Teresa eine Einigungsfigur und Symbol des Wiederaufbruchs des Landes – gerade im Hinblick auf einen angestrebten EU-Beitritt. Mutter Teresa ist damit auf dem besten Weg eine von allen Religionen akzeptierte Nationalheilige zu werden.


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