Ausgewiesene Roma landen in Rumänien
George ist an Bord eines Billigfliegers in Bukarest gelandet. Der Mann, Mitte 30, kommt aus Lyon. Er trägt einen Schnurrbart und ein glänzendes Trikot, er spricht mit dem tiefen Akzent aus Siebenbürgen. Er hat einen Koffer in der Hand und ist gerade durch die Passkontrolle gegangen, wo gelangweilte Beamte ihren Routinejob so schnell wie möglich erledigen.
George, der seinen echten Namen nicht preisgeben will, wurde zusammen mit etwa 90 weiteren rumänischen Staatsbürgern mit Roma-Hintergrund aus Frankreich „freiwillig ausgewiesen“. Eine Abschiebung im juristischen Sinn war das nicht. Seit Rumänien zur EU gehört, können Roma nach Frankreich einreisen und drei Monate dort bleiben, ohne eine Arbeit nachweisen zu müssen. Wenn sie danach nicht arbeiten, studieren oder ausreichende Einkünfte vorweisen, werden sie zurückgeschickt. Die Regierung in Paris will bis Ende August nach der Auflösung von illegalen Roma-Siedlungen insgesamt 700 Roma ausweisen. Jeder einzelne hat sich aber damit einverstanden erklärt und außerdem 300 Euro Rückkehrhilfe und ein Flugticket von den Franzosen bekommen.
Trotz erhöhter medialer Aufmerksamkeit und kämpferischer Ansagen aus dem Elysée-Palast ist die Prozedur kein einmaliges Ereignis. Rund 10.000 rumänische und bulgarische Roma kehrten 2009 nach Angaben des französischen Einwanderungsministeriums „freiwillig“ in ihre Ursprungsländer zurück, im monatlichen Durchschnitt also mehr als für diesen August geplant. Nur wenige Wochen später tauchen diese Roma aber wieder in Frankreich auf, empörte sich Minister Eric Besson jüngst in einem Presseinterview. Jetzt suchen die französischen Behörden nach legalen Möglichkeiten, die unliebsamen Gäste endgültig loszuwerden. Ein neues biometrisches Pass-System soll verhindern, dass Ausgewiesene erneut finanzielle Unterstützung bekommen.
George ist fest entschlossen, nach einem kurzen Aufenthalt in seiner Heimat nach Frankreich zurückzukehren. Dort sammelt er Altmetall und verkauft es an Recyclingfirmen. So kann man besser leben als in Rumänien, sagt er. Ähnlich denken viele Roma, die in Bukarest gelandet sind. Der 26-jährige Ionut Balasz etwa, der ursprünglich aus Petrosani kommt, einer Bergbaustadt in Siebenbürgen, die vom Strukturwandel besonders hart getroffen ist. „Wenn ich dort keine Arbeit finde, gehe ich nach Frankreich zurück“, sagt Balasz.
Der junge Mann dürfte in Petrosani kaum Chancen auf einen Job haben. Rumänien steckt tief in der Wirtschaftskrise und erhält sogar einen Notkredit des Internationalen Währungsfonds. Staatliche Mittel für Integrationsprogramme fehlen deshalb. Ilie Dinca, Staatssekretär für Roma-Angelegenheiten in Bukarest, ist nicht zum Flughafen gekommen. Er nimmt an einem Seminar am Schwarzen Meer teil und lässt in einem Interview sarkastisch grüßen: „Wir bedanken uns bei den französischen Behörden, dass sie den rumänischen Staatsbürger mit Roma-Hintergrund einen Heimaturlaub ermöglicht haben.“
„Alle hatten gültige Personalausweise, die Einreise ist ohne Zwischenfälle gelaufen, es war ein ganz normaler Flug“, sagt der Chef der Grenzpolizei vor Ort. Auf dem Flughafen warten aber auf die Roma weder Familienangehörige noch Freunde. Viele leben seit Jahren in Frankreich, sie kennen kaum jemanden in Rumänien. Am Ausgang steigt eine Roma in ein Taxi. Sie will in ein Dorf in der Nähe des Flughafens. Doch bald muss sie wieder aussteigen: Der Taxifahrer will sie nicht in das „Zigeunerdorf“ fahren.