Das Comeback des Diktators
Für Alin Dan ist jeder Tag eine Qual. „Ich muss bei der Arbeit jede Demütigung hinnehmen, denn in meinem Alter würde ich nie einen anderen Arbeitsplatz finden.“ Der 56-jährige Ingenieur arbeitet bei einem Autozulieferer in Hermannstadt. Er verdient umgerechnet 450 Euro im Monat. „Ich vermisse den Kommunismus. Meiner Familie hat nichts gefehlt. Wir mussten zwar ständig Schlange stehen, aber jetzt ist das Leben fast unerträglich“.
Wie Alin Dan denken viele Rumänen. Knapp jeder zweite Rumäne (41 Prozent) würde heute Nicolae Ceausescu zum Staatsoberhaupt wählen. Laut einer Umfrage des staatlichen Instituts für Evaluation und Strategie meinen 63 Prozent der Befragten, sie hätten im Kommunismus besser gelebt als heute. Damit ist der 1989 gestürzte und hingerichtete Diktator doppelt so beliebt wie der heutige liberaldemokratische Staatspräsident Traian Basescu. „Die Regierungen der vergangenen 20 Jahre wollten sich nur bereichern und haben unser Land geplündert. Ceausescu war ein Patriot”, sagt Alin Dan.
Ionela Enescu hat die Vergangenheit nicht verklärt. „Wie kann ich die Zeiten vergessen, als Frauen gezwungen wurden, Kinder zu kriegen?”, fragt die Rentnerin, die im Kommunismus bei einer Abtreibung im eigenen Schlafzimmer – die Pille war verboten – fast gestorben ist. Auch Ionela muss sich ihre Rente von umgerechnet 200 Euro im Monat genau einteilen. Doch sie kann nicht verstehen, dass man sich die Angst vor dem eigenen Staat zurückwünscht. „Die Securitate, der Geheimdienst, war überall. Der Arzt, der mir nach der misslungenen Abtreibung das Leben rettete, war ein Freund. Er hat sich und seine Familie in Gefahr gebracht. Ins Krankenhaus konnte ich nicht. Man hätte mich sofort verhaftet.”
„Im Kommunismus konnte man für die nächsten 10 oder 15 Jahre planen. Es gab Stabilität und Sicherheit, jeder hatte einen Job. Heute kämpfen die Menschen ums Überleben“, erklärt der Hermannstädter Psychologe Mugur Fratila die Sehnsucht nach der Diktatur. Die Wirtschaftskrise hat Rumänien als eines der ärmsten Länder in der Europäischen Union besonders hart getroffen: Der hochverschuldete Staat bekommt seit einem Jahr einen Notkredit vom Internationalen Währungsfonds IWF, der seinerseits drastische Sparmaßnahmen verlangt. Hunderttausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst wurden entlassen, die Gehälter von Lehrern und Beamten gekürzt. Automobil- und Textilfirmen, Hauptarbeitgeber in Rumänien, entließen ebenfalls tausende Arbeiter.
„Das kommunistische System, so boshaft es auch war, war kontrollierbar“, sagt der Psychologe Fratila. „Die Regeln waren klar, man wusste genau, was man nicht durfte. Jetzt gibt es keine Gewissheit mehr. Es ist wie ein Labyrinth, aus dem man nicht herauskommt.“
Der Kommunismus ist aber auch aus einem anderen Grund wieder ein Thema. Vor kurzem wurden die Leichen von Nicolae Ceausescu und seiner Frau exhumiert. Denn es gibt Zweifel, dass das Diktatoren-Ehepaar tatsächlich in dem Grab auf einem Bukarester Friedhof liegt. Die Regierung hatte sich lange geweigert, die Leichen aus ihrer Gruft zu holen. Es könne Monate dauern, bis das Ehepaar identifiziert werde, erklärten die Staatsanwälte. Laut der Umfrage zweifelt zwar nur ein Viertel der Rumänen daran, dass im Grab die echten Leichen liegen. Allerdings meinen 80 Prozent der Befragten, dass der Prozess nicht fair war, in dem der Ex-Diktator und seine Frau im Dezember 1989 zum Tode verurteilt worden waren.
Hoffnung auf eine Verbesserung ihres Lebens hat nur die Hälfte der Befragten. „Dem Kommunismus konnte man unter Umständen entfliehen“, sagt der Psychologe Mugur Fratila. „Aber der Freiheit entfliehen, das kann man nicht“.