Investoren sitzen in den Startlöchern
Das wird ein gigantischer Börsengang“, sagt Maciej Wewior. Der Sprecher des polnischen Ministeriums für Staatsvermögen ist mehr als zufrieden, wenn er über die geplante Privatisierung des Warschauer Finanzplatzes spricht. Sein Ministerium ist der Eigentümer der Börse, die mit 384 gelisteten Unternehmen die größte in Ostmitteleuropa ist. Die Regierung hat gerade ein Heer von Beratern engagiert, um die staatlichen Anteile des Handelsplatzes gewinnbringend unter die Leute zu bringen. Dabei stehen mehr als zehn Banken und Unternehmensberatungen auf der Liste – unter anderen JP Morgen, Goldman Sachs sowie UBS, also die Crème de la Crème der internationalen Bankenbranche.
„Die Symbolwirkung dieser Privatisierung wird allerdings größer sein als die tatsächlichen Einnahmen“, schränkt der Ministeriumssprecher ein. Denn damit finde endlich – mehr als 20 Jahre nach dem Untergang des Kommunismus – die wirtschaftliche Transformation des Landes einen Abschluss. „Schließlich ist die Warschauer Börse einer der wenigen Finanzplätze in Europa, der sich noch in staatlicher Hand befindet“, erklärt Wewior.
Tatsächlich wäre mit dem Börsengang ein jahrelanges Tauziehen um den Handelsplatz beendet. Es gab schon mehrere Privatisierungsversuche, doch immer wieder funkten die wechselnden Regierungen Polens dem Vorstand in die Arbeit. Denn der Handelsplatz im Stadtzentrum von Warschau war für die Gesamtwirtschaft schon immer auch politisch wichtig.
Und auch für die jetzige liberalkonservative Regierung unter Premierminister Donald Tusk ist die Börse von hoher Bedeutung. Ihr Verkauf steht politisch im Zentrum des gesamten Privatisierungsprogramms, das der Premier Anfang 2008 zu einem Schlüsselprogramm für seine Amtszeit erhoben hat. „Wir wollen 63 Prozent der Aktien des Handelsplatzes unterschiedlichen Investorengruppen anbieten“, kündigt Ministeriumssprecher Maciej Wewior an. Im November sollen die ersten Papiere in den Handel in Warschau gelangen, so der Sprecher.
Auf einen strategischen Partner bei der Privatisierung wollen die Polen allerdings verzichten. Denn erst vor einem halben Jahr scheiterte der Verkauf an die Deutsche Börse Frankfurt, die den attraktiven Handelsplatz mehrheitlich übernehmen wollte. Den Deutschen war der Preis letztlich zu hoch. Schließlich saß wegen der Finanzkrise das Geld nicht mehr so locker wie sonst.
Mittlerweile sind die Polen an einem kompletten Verkauf der Börse an einen Partner auch nicht mehr interessiert. Denn der Handelsplatz gehört inzwischen zum Nationalstolz: Polen hat als eines der wenigen Länder in Europa die Wirtschaftskrise ohne größere Einbrüche verkraftet. Bei internationalen Investoren ist die Börse auch deshalb immer interessanter geworden. Während die Finanzkrise im vergangenen Jahr die internationalen Kapitalmärkte beutelte und etliche europäische Börsen in die Knie zwang, erzielte die Warschauer Börse einen Gewinn von umgerechnet 22,8 Millionen Euro.
Doch in Polen jubeln beim Verkauf der Börse nicht alle so laut wie der Ministeriumssprecher. „Gerade wegen dieser Ergebnisse dürfte die Börse dem Staat dieses Jahr wieder gute Einnahmen bringen“, erklärt Cesary Nowosad, Finanzmarktexperte der Warschauer Unternehmervereinigung BCC Centre Club. „Wenn die Börse an private Investoren verkauft wird, werden diese Einnahmen künftig fehlen.“