Das Comeback der OSZE
Für Kirgistan ist es ein glücklicher Zufall, dass ausgerechnet das Nachbarland Kasachstan in diesem Jahr den OSZE-Vorsitz übernommen hat. Denn dort beschlossen die 50 Außenminister der OSZE-Mitgliedsstaaten jetzt Hilfsmaßnahmen für das von blutigen Konflikten betroffene Land. Im Juni waren in Kirgistan über 100 Menschen, vor allem ethnische Usbeken, bei Unruhen ums Leben gekommen.
Außenminister Guido Westerwelle gab vergangene Woche in Almaty bekannt, dass er und sein französischer Kollege Bernard Kouchner sich bei einem Aufenthalt in Kirgistan mit der kirgisischen Führung über eine Polizeimission geeinigt haben. Sie soll im unruhigen Süden des Landes stationiert werden. Kirgistan hatte hierum gebeten. Es soll sich um zunächst 52 Polizeioffiziere handeln, deren Anzahl auf 102 steigen könnte. Ihre Anzahl ist gering, es wird vermutlich Monate dauern, bis sie tatsächlich vor Ort sein können, und ihre Präsenz ist auf vier Monate befristet, wenn auch mit der Möglichkeit der Verlängerung.
Im Vergleich zur Balkankrise in den 1990er Jahren zeigt die OSZE in Bezug auf Zentralasien also keineswegs denselben politischen Willen. 2009 beliefen sich die Ausgaben der OSZE allein im Kosovo auf das Doppelte der Gelder, die in ganz Zentralasien aufgewendet werden, obwohl diese Region mehr als zwanzigmal so viele Einwohner hat. Die Polizeimission ist also kaum als entschlossenes Zeichen der OSZE zu werten, den Konflikt in Zentralasien zu beenden.
Bemerkenswert ist jedoch, dass Deutschland und Frankreich die Bereitschaft demonstrieren, eine Führungsrolle auszuüben und Verantwortung zu übernehmen. Und Kasachstan zeigt seinen Willen und seine Fähigkeit, als Stabilitätsanker in Zentralasien zu wirken. Dafür steht die Zusage Kasachstans, sich beim Wiederaufbau der durch die Unruhen im Juni schwer in Mitleidenschaft gezogenen Städte im Süden Kirgistans zu beteiligen. Darüberhinaus schlägt es eine Stärkung des OSZE-Zentrums in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek vor, bislang jedoch ohne handfesten Erfolg.
Die geplante Polizeimission in Kirgistan und eine vereinbarte Verstärkung des Anti-Drogenkampfs können zwar kaum als kraftvolle Signale gewertet werden. Doch viel mehr kann man vorerst auch nicht erwarten. Zum einen ist das Budget der OSZE mit nicht einmal 160 Millionen Euro jährlich bescheiden, zum anderen ist die Organisation sehr schwerfällig bei der Initiierung von Maßnahmen, da sämtliche 56 Mitgliedsländer zustimmen müssen. Dennoch ist sie ein unentbehrliches Diskussionsforum. So treffen seit einem Jahr die OSZE-Botschafter der Mitgliedstaaten wöchentlich zusammen, um über die Umrisse einer gesamteuropäischen Sicherheitsordnung zu sprechen. In welchem Rahmen, wenn nicht in dem der OSZE, könnten diese Gespräche stattfinden?
Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE)
Vorläufer der OSZE war die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Die erste dieser multinationalen Konferenzen fand von 1973 bis 1975 in Helsinki statt. Ihr ursprüngliches Ziel war, den Austausch zwischen dem Ostblock und dem Westen zu stärken. Für den Osten brachte sie einen stärkeren wirtschaftlichen Austausch. Im Gegenzug machte der Osten Zugeständnisse bei den Menschenrechten. In den Folgejahren entstanden in mehreren sozialistischen Ländern Bürgerrechtsbewegungen, die zum Zusammenbruch des Ostblocks beitrugen. 1995 wurde die Organisation in Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) umbenannt.
Zu Beginn der Präsidentschaft wurde bezweifelt, dass Kasachstan wegen seiner Menschenrechtsverletzungen ein geeigneter Vorsitzender der OSZE sein könne. Kritiker bemängeln, dass gerade in Menschenrechtsfragen grundsätzlich stärkerer Druck erforderlich sei. Die Kasachstan-Expertin und Mitarbeiterin der US-Nichtregierungsorganisation Carnegie Endowment, Martha Brill Olcott, sagte auf der 71. Parlamentarischen Versammlung der NATO, dass „Kasachstan langfristig eine demokratische Gesellschaft euro-atlantischen Typs“ werden könne. Diese Ansicht ist keineswegs unbestritten, aber die Außenminister der OSZE-Staaten haben sich bei ihrem Treffen ausdrücklich zu den „Prinzipien von Helsinki“ bekannt, zu denen auch die Einhaltung der Menschenrechte gehört.
Gipfeltreffen haben sich teilweise zu Recht den Ruf erworben, mehr Showeffekte als Ergebnisse hervor zu bringen. Die Außenminister der OSZE haben sich erstmals seit elf Jahren 1999 wieder auf ein solches Treffen der Staats- und Regierungschefs geeinigt. Es soll gegen Jahresende in Kasachstan statt finden, wofür das Land engagiert geworben hat. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die OSZE ihren Schwerpunkt weg vom Balkan hin zum Kaukasusraum und Zentralasien verschiebt.