Mit Bier-Wellness aus der Krise
So müssen sich Bierliebhaber das Schlaraffenland vorstellen: Der Brunnen im Hof der Brauerei Chodovar spendet Wasser und Bier. Eine junge Frau zapft die Spezialität des Hauses, ein goldenes Lager, und verteilt es an die Touristen. Kalt und süffig rinnt es die Kehle hinunter.
Sieben Sorten Bier
Sieben Sorten Bier kann man bei einem Besuch von Tschechiens einziger Privatbrauerei kosten. Das sogenannte Chodenbier gilt in der Region um Marienbad als einzigartige Spezialität, auch international wurde es mehrfach ausgezeichnet. 40.000 Hektoliter Gerstensaft reifen in einem kühlen unterirdischen Labyrinth, das bereits vor 800 Jahren in den Felsen geschlagen wurde. Der Chef Jiri Plevka und seine Familie stehen mit Leib und Seele hinter der Brauerei, die 1573 zum ersten Mal erwähnt wurde und die über den Kellern einer alten Burg, der Chodenburg, liegt.
Touristen können bei einem Spaziergang den Brauvorgang beobachten: Das Malz wird auf langen Tennen hergestellt, der Biersud gärt zehn Tage in offenen Tanks. Gebraut wird nach historischen Rezepten. Der Sage nach soll Burghofhund Albi vor Jahrhunderten die Quelle für das Chodenbier entdeckt haben, aus der besonders weiches und klares Wasser kommt. Sein Nachfolger, der auf den Namen Jimmy hört, springt als lebendiges Maskottchen über das Betriebsgelände. Sein Konterfei ziert das Etikett der Flaschen. Das Brauereigebäude erinnert mit seinen Zinnen und Türmchen bis heute an eine Burg.
Aus der Not eine Tugend gemacht
Dass Chodovar als einzige Familienbrauerei Tschechiens neben dem Riesen Pilsner Urquell bestehen kann, verdankt sie aber nicht nur der Tradition und Liebe zum Handwerk, sondern auch der Pfiffigkeit und Innovationsfreude ihrer Besitzer. „Würden wir nur Bier produzieren, könnten wir nicht überleben“, stellt Brauereimeister Jiri Plevka fest. Zwar ist die Marke Chodovar in der Gegend mittlerweile beliebter als der Marktführer Pilsner Urquell, selbst Wirte aus Deutschland reisen an, um ein paar Fässer abzuholen.
Trotzdem stagniert der Absatz seit Jahren, bei Flaschenbier ist er sogar rückläufig. „In Chodova Plana schenken mittlerweile zwölf Gaststätten unser Traditionsbier aus, früher waren es nur zwei. Doch der Ausstoß ist gleich geblieben“, schildert Plevka das Problem. Verändertes Trinkverhalten, verschärfte Alkoholkontrollen und eine Erhöhung der Verbrauchssteuer nennt er als Ursachen.
Jiri Plevka, der Erfinder des “Bier-Wellness”, im Sudhaus seiner Brauerei / Beate Franck, n-ost
Die Unternehmerfamilie verband deshalb kurzerhand die Tradition des Biertrinkens mit einem Zukunftstrend: Sie verwandelte das Gelände der Brauerei in eine Wellness-Landschaft. In den historischen Kellern des neu gebauten Hotels können Besucher nun bereits im dritten Jahr in Bier baden. Aus goldenen Zapfhähnen fließt eine Mischung aus warmem Mineralwasser, Bier und Hefe in die Badewanne. Die Erholungskur senkt den Blutdruck und ist gut für die Haut, verspricht der Kurarzt auf der Internetseite der Brauerei
Anreise:
Über die Grenzübergänge Waldsassen oder Selb nach Cheb/Eger, von dort auf die Route 21 in Richtung Plana. Sie führt direkt über Chodova Plana. Noch kürzer ist es über den Grenzübergang Mähring. Hier führt die Route 201 zum Zielort.
Unterkunft:
Einzelzimmer in der Sommersaison ab 47 Euro, Doppelzimmer ab 75 Euro (je nach Tageskurs)
http://www.chodovar.cz/
Zur geistigen Entspannung trägt ein Glas Bier bei, das griffbereit neben jeder Wanne steht. Dazu gibt es Heilpackungen und Massagen, und wer will, kann sich in Flaschen abgefüllten Bierbadeschaum mit nach Hause nehmen.
Der Kurarzt empfiehlt darüber hinaus eine „Trinkkur“: 28 bis 56 Milliliter Jungbier, jeweils eine halbe Stunde vor dem Essen, hätten nicht nur einen beruhigenden Effekt auf die Psyche, sondern auch eine positive Wirkung auf die Lebertätigkeit.
Die Mischung aus Tradition und Innovation kommt an. Jedes Wochenende besichtigen rund 500 Gäste die Brauerei, pro Jahr zieht das Bierparadies Chodovar rund 50.000 Menschen aus der ganzen Welt an. Ein Teil der Felsengänge ist heute Restaurant und Museum, in dem man mehr über die Traditionen des Brauens erfährt.
Zum Riesenspektakel gerät jeden Sommer eine Weltmeisterschaft im Fass-Rollen. Für „Bierverrückte“ hält Jiri Plevka Seminare ab, in denen die Teilnehmer ihren persönlichen Gerstensaft brauen können.
Das Weißbier kommt eigentlich aus Böhmen
Als einem von 200 Biersommeliers weltweit liegt dem erfindungsreichen Braumeister jedoch auch die Weitergabe von Wissen am Herzen. So erzählt er den Bayern gern, dass das Weißbier ursprünglich aus Böhmen stammt und den eigenen Landsleuten, worin das Geheimnis des Bamberger Rauchbieres liegt.
Die Familie Plevka hat nicht nur ihre eigenen Arbeitsplätze gesichert, sondern in dem 300-Seelen-Ort Chodova Plana auch rund 130 neue geschaffen. Dabei sah ihre Zukunft nach der Wende in Tschechien zappenduster aus. Chodovar, Teil der staatlichen Pilsner Brauereien, sollte nach einem Umsatzeinbruch wie andere westböhmische Betriebe des Verbundes geschlossen werden. Jiri Plevka senior, als Braumeister bereits 30 Jahre in Chodovar zu Hause, nutzte die Chance der Privatisierung.
Der Familienrat beschloss, den Sprung ins Unternehmertum zu wagen. Aus der Not geboren sei diese Entscheidung, sagt der 45-jährige Jiri junior im Rückblick: „Uns war klar, dass wir in Tschechien als Braumeister keine andere Arbeit finden würden.“
Die anfängliche Skepsis der Einheimischen gegenüber dem ungewöhnlichen Familienunternehmen hat sich gelegt. „Heute ist jeder über uns froh, denn die Brauerei zieht Gäste nach Marienbad“, sagt Jiri Plevka. Um weitere pfiffige Ideen wird Plevka wohl nicht verlegen sein. „Bier“, schmunzelt er, „ist eine Super-Inspiration.“