Ungarn

IWF-Streit trifft ausländische Banken

Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds über eine weitere Tranche des 20-Milliarden-Euro-Kredits ist die ungarische Landeswährung Forint  auf ein Rekordtief gefallen. Auch die Ratingagentur Moody’s spricht von „schlechten Nachrichten“. Wirtschaftsanalysten werfen Ministerpräsident Viktor Orbán Verantwortungslosigkeit vor und warnen vor dramatischen Konsequenzen für das von der Wirtschaftskrise stark betroffene Land.

Dabei ist die Finanzierung des Haushaltsdefizites, anders als in Griechenland oder in Rumänien, nicht das größte Problem der ungarischen Volkswirtschaft. Mit geschätzten 3,8 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) schneidet das Land zumindest bei der öffentlichen Neuverschuldung in diesem Jahr wesentlich besser ab als viele andere EU-Staaten. Vielmehr sorgen in Ungarn, wie in Spanien, die faulen Bankdarlehen an Privathaushalte für Kopfschmerzen. Denn fast 60 Prozent aller Kredite haben ausländische, meist österreichische Banken nicht in Forint, sondern in Euro und in Schweizer Franken ausgegeben. Mit jeder weiteren Entwertung der Landeswährung müssen also Privatschuldner den Kreditinstituten mehr überweisen, und die Schmerzgrenze ist längst überschritten. Über zwei Millionen Darlehen wurden seit mehr als drei Monaten nicht mehr bedient.

Das genaue Ausmaß der Folgen für die österreichischen Banken bleibt frühestens bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse von europaweiten Stresstests im Dunkeln. Doch die Aktien der wichtigen Kreditgeber Erste Bank und Raiffeisen sind Anfang der Woche gesunken, als der Forint-Wechselkurs weiter fiel. Auch unter den Schuldnern macht sich Ärger breit, die jeden Monat bis zu 50 Prozent mehr bezahlen müssen als ursprünglich vorgesehen.

Viktor Orbán sorgte schon zu Beginn der Verhandlungen mit dem IWF mit demonstrativ provokantem Verhalten für Verstimmungen. Als die Delegationen des Währungsfonds und der EU im Juli in Budapest eintrafen, ließ Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident aus dem fernen Südafrika grüßen. In den Verhandlungen über eine weitere Tranche des 2008 verabschiedeten Notkredits blieb er hart – und lehnte die Auflagen des IWF ab. Ungarn werde nicht weiter sparen, kündigte Wirtschaftsminister György Matolcsy Anfang der Woche an und ließ die Verhandlungen platzen.

Populisten nutzen die gespannte Atmosphäre, um im politischen Spiel zu punkten. So erklärte die rechtsradikale Partei Jobbik das Scheitern der Verhandlungen mit dem IWF und der EU zum Sieg im „Kampf um die finanzielle Unabhängigkeit des Landes“ und zog einen Vergleich mit der Revolution von 1848. Damals standen die Ungarn gegen die Herrschaft des habsburgischen Wiens auf.

Auch Ministerpräsident Orbán und seine rechtskonservative Partei Fidesz schlagen populistische Töne in der Debatte an. Einer der Streitpunkte bei den geplatzten Verhandlungen war die geplante Einführung einer Bankenabgabe, die der IWF mit Skepsis betrachtet. Die Maßnahme sei keine nachhaltige Lösung des Verschuldungsproblems, schränke den Spielraum der bereits angeschlagenen Banken weiter ein und reiche nicht aus, um die für das Jahr 2011 geplante Senkung des Staatsdefizites auf drei Prozent zu gewährleisten, so die Finanzexperten. Doch Orbán stört diese Kritik wenig: „Wir nehmen die Bankenabgabe nicht zurück“, erklärte er kürzlich in Budapest.


Weitere Artikel