Pendler keine Bedrohung für deutsches Handwerk
Antoni Wojtkowiak schuftet zur Zeit auf einer Baustelle in Nordrhein-Westfalen. „Ich habe in Deutschland ein Gewerbe als Ein-Mann-Firma angemeldet“, sagt er. Der Trockenbauer aus Niederschlesien arbeitet sechs Tage pro Woche und meist zehn Stunden pro Tag. Kaum einer seiner deutschen Kollegen würde eine solche Arbeitsbelastung auf sich nehmen. „Ich bezahle hier regulär meine deutsche Krankenkasse“, betont er.
Wojtkowiak gehört zu den polnischen Handwerkern, die seit dem Beitritt Polens zur EU regelmäßig nach Deutschland kommen und hier ihre Dienste anbieten - zum Verdruss vieler deutscher Kollegen, die befürchten, die Polen würden in Scharen kommen, mit niedrigeren Löhnen Aufträge an sich reißen und die Deutschen verdrängen.
In die grenznahen Regionen gehen die Handwerker kaum
Doch jetzt – über sechs Jahre nach dem EU-Beitritt Polens – zeigt sich, dass diese Ängste unbegründet sind. Es kommen zwar immer mehr polnische Handwerker nach Deutschland, doch die meisten arbeiten in zulassungsfreien Berufen wie Trockenbauer oder Fliesenleger. Den Fachkräften machen sie dagegen kaum Konkurrenz. In Branchen, in denen ein Meisterbrief nötig ist, sind die Polen nach wie vor kaum vertreten. Das geht aus der neuesten Statistik des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) hervor. So stieg die Zahl der Betriebsinhaber mit polnischer Staatsangehörigkeit im vergangenen Jahr im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent auf rund 28.000. Dabei machen die zulassungsfreien Berufe 70 Prozent aus.
In das grenznahe Ostdeutschland gehen die polnischen Handwerker kaum, obwohl es am schnellsten zu erreichen ist. Laut den Zahlen des ZDH interessieren sie vor allem die Industriezentren im Westen, also Nordrhein-Westfalen, das Rhein-Main-Gebiet, aber auch München. Denn dort gibt es die lukrativsten Aufträge.
Eine Arbeitsstunde kostet bei Antoni Wojtkowiak zwischen 13 und 15 Euro. Seine deutschen Kollegen verlangen etwa 40 Euro. Damit kann der Pole binnen vier Wochen bis zu 3.600 Euro brutto verdienen. Nach allen regulären Abzügen ist diese Summe in Polen, wo er den Großteil seines Gehaltes ausgibt, sehr viel Geld. Ein Bauarbeiter verdient in Polen monatlich gerade einmal 300 Euro netto.
Wojtkowiaks kann zu seinem niedrigen Stundenlohn nur wirtschaftlich arbeiten, indem zwar in Deutschland arbeitet, aber in Polen wohnt. „Ich halte mich vier bis fünf Wochen am Stück in Deutschland auf, zu Hause muss ich meine Familie ernähren“, sagt er. Zöge der Familienvater nach Deutschland um, hätte er die gleichen Lebenshaltungskosten wie seine deutschen Kollegen und müsste deren Preise verlangen.
Den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) ärgern diese Praktiken. „Polnische Handwerker melden in Deutschland ein Gewerbe an, um dann als Scheinselbständige auf Baustellen unter selbstausbeuterischen Bedingungen zu arbeiten“, sagt der Präsident des ZDH, Otto Kentzler. Er fordert eine effektivere Überprüfung durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit und eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Behörden.
Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerkes (ZDH), Otto Kentzler / ZDH
Der polnische Handwerksverband wirft den Deutschen hingegen vor, sie blockierten die Polen, wenn es um die Anerkennung der Meister- und Gesellenbriefe gehe: „Die deutschen Behörden errichten für die Polen mit dem Beginn einer legalen Tätigkeit oder Selbstständigkeit immer neue Hürden“, so Maciej Proszynski, Direktor beim Verband des polnischen Handwerkes (ZRP).
Der Präsident des Verbandes des polnischen Handwerkes Maciej Proszynski / ZRP