„Das Verhältnis zu Deutschland wird sich verbessern“ / Interview mit Gesine Schwan
ostpol: Bronislaw Komorowski hat den Stichwahl-Krimi gegen Jaroslaw Kaczynski gewonnen. Hatten Sie damit gerechnet, dass es so knapp werden würde?
Gesine Schwan: Ja. Die letzten Umfragen vor der Wahl hatten dieses Kopf-an-Kopf-Rennen ja bereits signalisiert. Ich hatte sogar die Befürchtung, dass viele Bürger einfach zu Hause bleiben würden. Das wäre wahrscheinlich Kaczynski zugute gekommen. Nun war die Wahlbeteiligung mit 55 Prozent recht hoch. Das zeigt, dass den Menschen nicht egal war, wer Präsident wird, und das ist natürlich gut.
Wie bewerten Sie den Wahlausgang?
Schwan: Es ist für Polen und Europa gut, dass Komorowski gewonnen hat. Jaroslaw Kaczynski und seine nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit betreiben eine konfrontative, rückwärtsgewandte Politik. Das führt zu nichts.
Aber Kaczynski hat sich nach der Flugzeugtragödie von Smolensk als geläuterter Staatsmann präsentiert. Nehmen Sie ihm den Wandel nach dem Tod seines Zwillingsbruders nicht ab?
Schwan: Nein, das nehme ich ihm nicht ab. Kaczynski hat nicht einmal davor zurückgeschreckt, dieses schreckliche Unglück gezielt für seinen Wahlkampf zu instrumentalisieren.
Was erwarten Sie vom neuen Präsidenten Komorowski?
Schwan: Er und sein Parteifreund Donald Tusk als Regierungschef müssen aufpassen, dass sie die Verlierer der Modernisierung in Polen im Blick behalten. Der Wirtschaft im Land geht es gut. Als einziges EU-Mitglied hat Polen im Krisenjahr 2009 ein Wachstum erwirtschaftet. Es besteht also kein akuter Bedarf für eine weitere Liberalisierung.
Viele Fachleute sehen das anders. Ohne harte Sozialreformen werde das Land wieder ins ökonomische Hintertreffen geraten.
Schwan: Entscheidend ist das Wie. Tusk und Komorowski sollten behutsam vorgehen. Sie sind gut beraten, wenn sie die Kluft zwischen Arm und Reich nicht ignorieren. Diese Kluft gibt es in Polen wie in vielen anderen europäischen Ländern. Und die Schere öffnet sich immer weiter. Und Kaczynski bedient die Klientel der Verunsicherten. Vor der Stichwahl konnte er auf diese Weise sogar um die Stimmen der Linken buhlen.
Was bedeutet das Wahlergebnis für die außenpolitische Ausrichtung des Landes?
Schwan: Komorowski hegt wie Tusk keinerlei Ressentiments – weder gegen die EU noch gegen Deutschland oder Russland. Die Beziehungen werden sich deshalb weiter verbessern, zumal dies der Mehrheitsstimmung in Polen entspricht. Ich habe mit Interesse gesehen, dass die Außenminister des sogenannten Weimarer Dreiecks, also Polens, Deutschlands und Frankreichs, kürzlich den russischen Kollegen zu ihren Beratungen hinzugezogen haben. Das sind sehr hoffnungsvolle Zeichen.
Und wie geht es bilateral zwischen Deutschen und Polen weiter?
Schwan: Auch da habe ich keine Zweifel, dass sich das Verhältnis weiter verbessern wird. Ein Knackpunkt ist allerdings die Energiepolitik, die seit der Entscheidung für die Ostseepipeline sehr umstritten ist. Hier müssen wir Deutsche mehr Sensibilität entwickeln und uns offensiv darum bemühen, Polen in die Energiepartnerschaft mit Russland einzubeziehen.