Slowakei

Regierung bangt um Wiederwahl

„Ich gehe auf jeden Fall zur Wahl, selbst wenn es Traktoren regnet“, untermauert Roberta Krmaskova ihre Absicht, an den am kommenden Samstag in der Slowakei stattfindenden Parlamentswahlen teilzunehmen. Die 21-jährige stammt aus der mehrheitlich von Ungarn bewohnten Grenzstadt Komarno. In dem Ort hatte vor wenigen Tagen die nationalistische Regierungspartei SNS eine Stele aufstellen lassen, mit der sie für den Abschluss des Trianonvertrages vor 90 Jahren dankt. Dieser hatte nach dem Ersten Weltkrieg große Teile Ungarns und damit auch ihre Einwohner der damaligen Tschechoslowakei zugeschlagen.

Die zehn Prozent Ungarn in der Slowakei sind spätestens seit Antritt der Regierung von Viktor Orban wieder zum erbitterten Streitthema zwischen beiden Staaten geworden. Budapest bietet seinen ehemaligen Landsleuten die Staatsbürgerschaft an, Bratislava droht im Gegenzug mit Aberkennung der slowakischen, sollten die Ungarn in der Südslowakei von dem Angebot Gebrauch machen.

Aber Krmaskova wird ihre Stimme keiner der Regierungsparteien geben, die derzeit so staatstragend Wortsalven gen Budapest feuern. Sie gehört Experten zufolge zu der womöglich wahlentscheidenden Gruppe der Erstwähler. „Ich bin noch nicht entschieden zwischen SaS und SDKU“, nennt die Studentin die beiden Oppositionsparteien mit den besten Umfragewerten.

Vor allem SaS („Freiheit und Solidarität“) ist auf dem besten Weg, zum eigentlichen Wahlsieger zu werden. „War vor vier Jahren noch Smer von Premier Robert Fico die Partei der Erstwähler, ist diese Rolle nun SaS zugefallen“, erläutert der Politologe Martin Muransky. Die Neugründung unter Führung des früheren Regierungsberaters Richard Sulik steht nicht nur für marktliberale Reformen, sondern auch für neue Gesichter. „Ihr Vorteil ist, dass sie keine Geschichte hat und damit unangreifbar ist“, so Muransky weiter. Sie sei als einzige Oppositionspartei imstande, Stimmen aus dem anderen Lager oder bei den Nichtwählern zu sammeln.

Letzten Umfragen zufolge stehen die Chancen für einen Wechsel Fünfzig zu Fünfzig. Der Regierungspartei Smer hilft dabei nicht einmal die immer noch hohe Popularität seines Premierministers. Robert Fico gilt selbst als Saubermann, zahlt aber die Rechnung für eine Serie von Skandalen seiner Minister. Das betrifft auch den dritten Koalitionspartner, die LS-HZDS des ehemaligen autokratischen Premierministers Vladimir Meciar. Sie könnte sogar den Einzug ins Parlament verpassen. Fico wird zwar sicher die Wahl gewinnen, stünde dann aber ohne Partner da. Denn die jetzigen Oppositionsparteien haben bereits eine Zusammenarbeit abgelehnt.

„Letztlich ist entscheidend, wie viele Parteien in das Parlament kommen“, sagt Politologe Muransky. Bis zu acht Parteien können sich Chancen ausrechnen, es gilt aber als sicher, dass nicht alle den Sprung schaffen. Zittern muss auch die slowakisch-ungarische Neugründung Most-Hid („Brücke“), die für Verständnis zwischen Ungarn und Slowaken wirbt. Ihre Liste ist nur so gespickt mit bekannten Intellektuellen. Aber gerade das könnte ihr zum Verhängnis werden. Schon die national aufgeheizte Atmosphäre kostete sie Stimmen. Der aktuelle Anti-Establishment-Kurs könnte sie endgültig unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken. Dennoch könnte es am Ende für die Opposition reichen. Muransky schließt nicht aus, dass sie auch mit nur vier Parteien im Parlament die erforderliche Mehrheit erringt.


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