Kinder aus dem Reagenzglas
Auf einer grünen Anhöhe im Danziger Stadtteil Matemblewo steht eine Kapelle mit der schwangeren Heiligen Maria. Die Katholiken glauben daran, dass hier im Jahr 1769 die hochschwangere Muttergottes erschienen ist. Für sie ist der Ort ein Heiligtum. Deshalb pilgern schwangere Frauen hierher, um sich für das Kind in ihrem Bauch zu bedanken und für es zu beten. Doch unter den Gläubigen sind immer mehr Paare, die seit Jahren erfolglos versuchen, Kinder zu bekommen. Jede fünfte Frau in Polen hat Probleme, auf natürlichem Weg schwanger zu werden.
Jacek Socha von der Sankt Nikolai Kirche in Danzigs Nachbarstadt Gdynia (Gdyngen) ist Seelsorger. Er berät oft Paare, die keine Kinder bekommen können. Der Priester versucht, ihnen das Problem aus der Perspektive des katholischen Glaubens zu erklären: „Ich bringe ihnen näher, wie man Gottes Willen interpretieren sollte. Vielleicht will Gott dem Paar vermitteln, dass ein eigenes Kind nicht sein Weg ist. Vielleicht sollten sie sich eine andere Art der Mutter- oder Vaterschaft überlegen.“
Adoption könnte ein möglicher Weg sein. Der Adoptionsprozess ist jedoch mühsam und dauert Monate, manchmal sogar bis hin zu Jahren. Elżbieta Bielęda hat das erfahren. Sie hat monatelang gewartet, bis sie mit ihrem Mann zwei Kinder adoptieren konnte. Neben zahlreichen medizinischen Untersuchungen und psychologischen Tests musste das Ehepaar viele Formalitäten erledigen und Anwälte bezahlen. Nach der Adoption wurde Elżbieta schwanger und bekam das dritte, eigene Kind.
Viele Paare entscheiden sich deshalb für die künstliche Befruchtung. In einem Kinderwunschzentrum in Danzig werden pro Jahr etwa 700 In-vitro-Behandlungen durchgeführt. „Der Frau werden Eizellen entnommen, ihrem Partner entnehmen wir parallel Samen. Am gleichen Tag kommt es zur Befruchtung im Reagenzglas“, erklärt Laborleiterin Joanna Lis den Prozess. „Während der nächsten vier bis fünf Tage werden die Embryonen gezüchtet. Danach pflanzen wir sie in die Gebärmutter ein. Es reichen in der Regel maximal zwei Embryonen auf einmal.“
Die Kritik der katholischen Kirche entzündet sich an den restlichen Embryonen. Denn zur Sicherheit werden beim In-vitro-Prozess ein paar Embryonen auf einmal befruchtet. Nicht alle werden der Frau eingepflanzt, sondern teilweise jahrelang im Labor eingefroren. „Es geht uns um die moralische Verantwortung für das bereits geschaffene Leben“, erklärt Probst Jacek Socha die Stellung der Kirche. „Wer soll über das Schicksal der Embryonen entscheiden? Das Gericht? Die Paare?“ Seiner Meinung nach ist das ein großes moralisches Dilemma.
Doch nicht nur die katholische Kirche kritisiert die In-vitro-Befruchtung. Auch die politischen Parteien in Polen können sich bei dem Thema nicht einigen. Bisher muss die In-vitro-Befruchtung in Polen privat aus eigener Tasche, finanziert werden. Etwa zehntausend Zloty, umgerechnet etwa 2.500 Euro, müssen die Paare aufbringen.
Nach dem Entwurf der Linken vom Jahr 2008 soll die staatliche Krankenkasse die künstliche Befruchtung finanzieren. Auch der im April ums Leben gekommene Präsident Lech Kaczynski und vor allem seine Frau Maria befürworteten diesen Weg. Ein Grund, warum die Präsidentengattin in katholischen Kreisen auch als „Hexe“ beschimpft wurde. Sein Zwillingsbruder Jaroslaw, der nun für das höchste Amt kandidiert, lehnt in vitro dagegen strikt ab. Die regierende Bürgerplattform hat ihre eigene radikale Meinung. Präsidentschaftskandidat Bronislaw Komorowski befürwortet eine staatliche Mitfinanzierung nur dann, „wenn daraus gesunde Kinder entstünden, die zu anständigen Bürgern erzogen würden“.