Zu schwarz für eine Ukrainerin?
Als der Eurovision Song Contest 2005 in Kiew ausgetragen wurde, saß ganz Europa an den Bildschirmen, als das ukrainische Duo Greenjolly bei der Veranstaltung die Hymne der „Orangenen Revolution“ rappte: „Razom nas bahato“ – Zusammen sind wir viele. Heute ist die politische Aufbruchstimmung in der Ukraine schon lange verflogen. Viktor Janukowitsch, der Wahlfälscher von 2004, ist Präsident, seine Gegnerin von damals, Julia Timoschenko, im Gefängnis.
Beim Eurovision Song Contest ist das Land dagegen immer noch regelmäßig auf den vorderen Plätzen mit dabei. Am Beitrag für den diesjährigen Eurovision-Wettbewerb in Baku jedoch entzündete sich ein handfester Skandal: Die Sängerin Gaitana soll die Ukraine beim Eurovision Song Contest in Baku vertreten. Dafür hat die Tochter einer Ukrainerin und eines Kongolesen jedoch nach Ansicht der rechtsextremen Partei Swoboda die falsche Hautfarbe – und die Ukraine kurz vor der Fußball-Europameisterschaft eine Rassismusdebatte.
Denn Juri Syrotjuk, Vorstandsmitglied der rechtsextremen Partei „Swoboda“ (Freiheit), befand, Gaitana könne die ukrainische Kultur nicht repräsentieren. Denn Gaitana Lurdes wurde 1979 als Tochter einer Ukrainerin und eines Kongolesen in Kiew geboren. Im Kongo, dem Heimatland ihres Vaters, verbrachte Gaitana ihre ersten fünf Lebensjahre. 1985 kehrte sie mit ihrer Mutter Tatjana zurück in die Sowjetunion. Ihr Vater Essami Klaver blieb zurück in Brazzaville, ebenso ihr Bruder Dengandr. Syrotjuk wettert nun: „Die Ukraine wird mit einem anderen Kontinent assoziiert werden, irgendwo in Afrika.“
Dabei ist Gaitana mit ihren von Jazz, Blues und Soul geprägten Liedern, die sie auf Ukrainisch ebenso wie auf Englisch oder Russisch singt, in der Ukraine längst ein Star. Große Unternehmen wie Coca-Cola oder der Mobilfunkkonzern KyivStar werben mit ihr. Für den amtierenden ukrainischen Fußballmeister aus Donezk intonierte Gaitana die Hymne „Schachtjor – Champion“.
Swoboda dagegen ist aus gesamtukrainischer Sicht eine marginale Partei. Vielerorts liegt sie in der Wählergunst unter einem Prozent. Ihre Hochburg hat sie jedoch in der Westukraine, wo 2010 bei Regionalwahlen im Gebiet Ternopil jeder Dritte für die Partei stimmte, die offen fremdenfeindliche Stimmung macht.
Immerhin knapp 26 Prozent der Stimmen erhielt Swoboda im Gebiet Lwiw (Lemberg) – ausgerechnet dort, wo die deutsche Nationalelf im Sommer zwei Gruppenspiele bei der Fußball-Europameisterschaft austragen wird. Die Partei ist dort überall im Straßenbild präsent – mit Ständen, Fahnen und Plakaten, aber auch mit Kruzifixen und Marienfiguren, an denen in der uniert-katholisch geprägten Region viele Menschen zum Gebet innehalten – und die dezent mit dem Namen der Partei versehen sind.
Die Beziehung zwischen Swoboda und der ukrainischen Führung unter Präsident Viktor Janukowitsch ist ambivalent. Ganz unrecht sind dem Staatschef die extremistischen Parolen nicht, sagt man in der Ukraine, helfen sie doch, die „orangene“ Opposition im Westen des Landes kleinzuhalten. Doch eine Rassismus-Debatte kurz vor der Europameisterschaft kann die Ukraine überhaupt nicht gebrauchen. Und so verurteilte Janukowitschs Partei der Regionen die Äußerungen, mit denen Swoboda ihr „faschistisches Gesicht“ zeige. Zu einer Entschuldigung sieht Syrotjuk jedoch keinen Anlass – er habe lediglich das Auswahlverfahren für den Gesangswettbewerb kritisieren wollen.