„Trickfilm macht süchtig“
ostpol: Tschechien hat eine große Trickfilmtradition. Warum hat es bis 2002 gedauert, bis das erste Festival für diese Sparte geboren war?
Pavel Horacek: Der Animationsfilm hatte im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen nach 1989 etwas zu verlieren. Als politisch ungefährliches Exportgut genoss er im Sozialismus viele Privilegien. Von ihrem Wegfall hat sich die Branche lange nicht erholt. Es wurden zwar weiterhin bemerkenswerte Filme gedreht, aber die Welt erfuhr nichts davon. Erschwerend kam hinzu, dass der Animationsfilm eine Nischenkultur ist, für die sich schwer Sponsoren finden. Dabei weiß jeder, der sich einmal auf ihn eingelassen hat, dass Trickfilm süchtig macht.
Inzwischen findet die neunte Ausgabe von AniFest statt. Welche Ausrichtung hat das Festival?
Horacek: Unsere Spezialisierung ist, dass wir alles machen. Wir haben zehn Wettbewerbskategorien. Damit bilden wir das gesamte Spektrum des Animationsfilms ab. Dazu gehören auch der von Kindern geschaffene Trickfilm oder animierte Werbestreifen. Unser Aushängeschild ist aber der Kurzfilm. Das ist das Format, das am besten zum Trickfilm passt und in dem die revolutionären Dinge passieren. Besonders am Herzen liegt uns auch der Studentenfilm. Er ist eine Art Lackmustest der Branche, hier werden Talente geboren und hier kommt es zur Abkehr von Traditionen. Aber natürlich haben wir auch einen Wettbewerb für abendfüllende Filme.
Hat in Teplice tschechische Premiere: der abendfüllende Streifen „My dog Tulip“ vom Tschechoamerikaner Paul Fierlinger. Foto: AniFest
Das Festival umfasst noch mehr als die Wettbewerbe.
Horacek: Jeder Jahrgang steht unter einem Oberthema. In diesem Jahr ist es der 100. Geburtstag des Regisseurs Karel Zeman, dessen komplette Werkschau wir zeigen. Auf dem „ProfiForum“ kommen Fachleute wie der italienische Regisseur Bruno Bozzetto zusammen. Das ist bemerkenswert, da Bozzetto nur noch selten reist. Wir haben aber auch ein umfangreiches Zusatzprogramm für Kinder. Im „Trickfilmkindergarten“ drehen sie eigene Filme.
AniFest hat sich im südböhmischen Trebon international einen Namen gemacht. Nach einem kurzen Gastspiel im letzten Jahr findet das Festival nun erstmals vollständig in Teplice statt. Was hat sie zu dem Wechsel bewogen?
Horacek: Wir haben Trebon schweren Herzens verlassen. Aber wir sind dort an Grenzen gestoßen, die leider unverrückbar waren. Auf der anderen Seite sollte der Veranstaltungsort für ein Animationsfilmfest auch nicht zu groß sein. Insofern sind wir in mehrfacher Hinsicht glücklich, in Teplice gelandet zu sein. Die Stadt steht für unser Ziel zu mehr Internationalität, zugleich rücken wir näher an Deutschland heran, wo wir schon viele Partner haben.
Was erwartet die Zuschauer in diesem Jahr?
Horacek: Der Schwerpunkt liegt diesmal auf dem abendfüllenden Film. Durch die Zeman-Retrospektive zeigen wir mit 45 Filmen so viel wie nie zuvor in diesem Format. Zugleich verspricht hier der Wettbewerb mit vier gleichwertigen Streifen sehr spannend zu werden. Auch unserem Stargast Bruno Bozzetto ist eine eigene Retrospektive gewidmet. Unsere neue Sektion „Midnight movie“ ist für den kontroversen, politisch nicht korrekten Film reserviert. Darüber hinaus haben wir zwei neue Minisektionen für Videoclips und Werbespots geschaffen. Länderschwerpunkte gibt es zur Slowakei, Litauen und China.