Polen

Ein deutscher Putzmann in Danzig

Im Waschbecken in der Küche steht ein blauer Plastikeimer. Dietmar Schmale, in blauer Arbeitskleidung, lässt Wasser einlaufen und gibt Putzmittel dazu. Er ist zum Fensterputzen bei der polnischen Familie Kostka in die Danziger Altstadt gekommen. Der Arbeitseinsatz ist Teil einer zehntägigen künstlerischen Perfomance, deren Ergebnisse seit Freitag in der Danziger Stadtgalerie gezeigt werden.

In den 70-er, 80-er und 90-er Jahren haben viele Polinnen in Deutschland als Putzfrauen gearbeitet. Die meisten waren schwarz beschäftigt, deshalb gibt es keine genauen Angaben über ihre Zahl. Die Frauen waren häufig ungebildet und arbeiteten ohne Versicherungsschutz zu extrem niedrigen Löhnen. Dietmar Schmale hat das als Kind und Jugendlicher miterlebt. „Ich war oft bei meiner Großmutter und habe ihre Putzfrauen in die Wohnung gelassen. Manchmal habe ich ihnen den Lohn ausgezahlt.“

Der deutsche Künstler (43) aus Rheine im Münsterland fühlt sich nun, Jahre später, verpflichtet, einige der Arbeitsstunden an die Polinnen zurückzugeben. Er putzt polnische Wohnungen und Häuser. „Ich frage meine Auftraggeber, was ich putzen soll. In diesem Falle sagte mir die Dame, dass sie nicht gerne Fenster putzt.“ Die polnischen Auftraggeber sind für Schmale die Chefs. „Sie können mir sagen, was zu tun ist und wie lange ich bleiben soll.“

                                
Der Künstler Dietmar Schmale putzt in Danzig im Rahmen einer Performance Wohnungen / Katarzyna Tuszynska, n-ost

Um an Aufträge zu gelangen, schaltete Schmale Anzeigen in lokalen Medien. „Deutscher Putzmann sucht Arbeit gegen geringe Bezahlung“, lautet eine Anzeige in einer der Danziger Lokalzeitungen. Marek Kostka hat sofort angerufen, als er die Anzeige entdeckte. Familie Kostka zählt auf deutsche Gründlichkeit. „Ich hoffe, dass er seine Arbeit ordentlich macht, obwohl er dazwischen ziemlich viel quatscht“, so Marek Kostka.

Beide Seiten, Auftraggeber und -nehmer, haben viel Spaß bei der Aktion. Und zugleich hat die Perfomance für beide einen ernsten Hintergrund. „Mein Opa und die Großeltern meiner Frau haben in Deutschland als Zwangsarbeiter im Zweiten Weltkrieg gearbeitet“, erzählt Kostka. „Für uns ist es deshalb wichtig, dass es ein deutscher Künstler ist.“

Dietmar Schmale geht es indes mehr um die jüngere Geschichte. „Wenn deutsche und polnische Künstler miteinander zu tun haben, wird häufig die Geschichte des Zweiten Weltkrieges thematisiert. Das ist ein sehr schweres, drückendes Thema, aber es gibt natürlich auch vieles danach“, erklärt er. „Auf eine kleine Sache aus diesem Danach möchte ich nun einen kleinen Fokus setzen.“

Nach etwa drei Stunden ist Dietmar Schmale mit dem Fensterputzen bei der Familie Kostka fertig. „Ich putze wie jeder andere auch. Ich kann nicht sagen, dass ich das besonders gut kann“, so Schmale. „Die polnischen Putzfrauen in Deutschland waren ja auch keine ausgebildeten Reinigungskräfte.“ Wenn die Auftraggeber nicht zufrieden sind, gibt es weniger Lohn. Doch Familie Kostka ist zufrieden. 18 Zloty, etwa fünf Euro, hat Dietmar Schmale für drei Stunden Fensterputzen kassiert.

Nach zehn Tagen ist die Performance abgeschlossen. Dietmar Schmale hatte zwei Aufträge pro Tag. Die Nachfrage war groß, sogar ein Kindergarten forderte Schmale an. Nun sind die Ergebnisse in der Danziger Stadtgalerie zu sehen. Grażyna Tomaszewska-Sobko von der Stadtgalerie fotografierte Dietmar Schmale beim Putzen. Aus dieser Fotodokumentation sind fünf schwarz-weiße Plakate im Stil der 70-er Jahre entstanden – also jener Zeit, als polnische Putzfrauen bei Dietmars Oma beschäftigt waren.


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