Spannungen bei Jobbik-Führung
Die rechtsradikale ungarische Partei Jobbik hat in der zweiten Runde der Parlamentswahlen am kommenden Sonntag keine schlechten Chancen. Der Erfolg vom 11. April (knapp 17 Prozent der Stimmen und 26 sichere Mandate) dürfte wohl konsolidiert werden. Die zwei Volksparteien, die konservative Fidesz und die sozialistische MSZP, betrachten sich gegenseitig als Erzfeinde und schließen selbst lokale Zweckkoalitionen gegen Jobbik grundsätzlich aus. Die radikalnationalistische Bewegung erwartet deswegen mindestens 20 weitere Sitze und hofft sogar, insgesamt 50 Abgeordnete nach Budapest schicken zu dürfen.
Doch inzwischen distanzieren sich erneut die ursprünglichen Gründer der Bewegung, eine Gruppe konservativer Studenten, öffentlich von der Parteiführung um den Volkstribun Gábor Vona. Sie hatten Jobbik („Die Besseren“) 2002 als „christliche Protestbewegung“ gegründet. Korruption und liberale Politik sollten bekämpft, die nationalen Traditionen gestärkt werden. „Das ist nicht mehr unsere Partei. Gábor Vona und seine Leute wollen nur die Macht, genau wie die liberalen Politiker von den anderen Parteien“, sagt Ervin Nagy, der ehemalige Jobbik-Vizevorsitzende.
Nagy und zwei weitere Mitgründer sind schon 2008 wegen der Jobbik-nahen Ungarischen Garde in Konflikt mit der Parteiführung geraten und aus der Partei ausgetreten. „Unzufriedene gibt es überall“, kommentiert Parteisprecher Zsolt Várkonyi. „Tatsache ist doch, dass die Partei bei den letzten Wahlen 2006 immer noch nur bei 2,2 Prozent war. Jetzt sind wir aber mit mehr als 850.000 Stimmen auf 17 Prozent gestiegen.“
In ihrem Wahlprogramm „Radikalwandel 2010“ verspricht Jobbik, der Korruption ein Ende zu setzen, ungarischen Familien zu helfen und in der Bildungspolitik auf Religionsunterricht, Nationalbewusstsein und Disziplin zu beharren. Ungarische Landwirte und Kleinunternehmer will Jobbik mit einer „Kauf Ungarisch“-Kampagne gegen die europäische Konkurrenz stärken. Dabei zieht die Partei sogar in Betracht, Ungarns EU-Beitrittsvereinbarungen sowie den neuen Vertrag von Lissabon in Frage zu stellen. Vor allem aber will sich Jobbik mit dem Roma-Thema auseinandersetzen: „Zigeunerkriminalität“, so die Rechtsextremisten, müsse durch Einrichtung einer Gendarmerie bekämpft werden, bedingungslose Sozialleistungen gehörten gekürzt.
Zur Eröffnung der neuen Nationalversammlung im Mai verspricht der Jobbik-Vorsitzende Gábor Vona einen Aufsehen erregenden Auftritt: Er will bei der Zeremonie die Uniform der inzwischen verbotenen Ungarischen Garde tragen. Die Jobbik-nahe, polizeiähnlich strukturierte Organisation wurde 2009 per Gerichtsbeschluss verbannt, nachdem uniformierte Gardisten erneut mit Roma-feindlichen Rufen durch Roma-Dörfer gezogen waren. In Tatárszentgyörgy, einem kleinen Ort in Ostungarn, sind später ein 27-jähriger Roma-Mann und sein fünfjähriger Sohn von Rechtsextremisten ermordet worden. Die Richter konnten jedoch bisher keinen direkten Zusammenhang zwischen den mittlerweile gefassten Tätern und der Ungarischen Garde beweisen. Die Jobbik-Führung hält das Verbot für eine weitere Schikane durch die etablierten Parteien. Das von der ungarischen Volkstracht inspirierte Kostüm erinnert sehr an die Uniform der Pfeilkreuzler, Ungarns faschistischer Bewegung während des Zweiten Weltkriegs.
Der angekündigte Auftritt in Uniform sorgt bereits für Streit bei den Konservativen von Fidesz: Es geht darum, ob der Parteivorsitzende und zukünftige Ministerpräsident Viktor Orbán den rechtsextremen PR-Streich einfach ignorieren oder doch die Polizei zur Eröffnungszeremonie einladen soll. Jobbik-Chef Vona forderte am Mittwoch schon einmal wichtige Ämter im neuen Parlament: Seine Partei würde gern die Vorsitze des Nationalsicherheits- sowie des Außenpolitikausschusses übernehmen. „Radikalismus hat auch ein professionelles Gesicht“, sagte Vona im ungarischen Fernsehen.