Notkabinett will mit Bakijew verhandeln
Seit Tagen ringen die Mitglieder der provisorischen Regierung in Kirgistan um den richtigen Umgang mit dem gestürzten Präsidenten, der nach dem Umsturz vergangene Woche in den Süden des Landes geflüchtet war. Auf Druck der öffentlichen Meinung in Bischkek und anderen Städten im Norden des Landes, deren Bewohner mit dem Präsidenten, seinen Brüdern und Söhnen am liebsten kurzen Prozess machen würden, hob die neue Regierung am Dienstag die Immunität des Geflüchteten auf und beschloss seine Verhaftung. Verhaftet werden sollen auch der Chef des Staatsschutzdienstes Zhanybek Bakijew, ein Bruder des Präsidenten, sowie der älteste Sohn von Bakijew, Marat, der beim Geheimdienst arbeitet. Die beiden Männer sollen für den Schießbefehl gegen Demonstranten verantwortlich sein.
Ausgerechnet Regierungschefin Rosa Otunbajewa hat den Beschluss Bakijew zu verhaften, nicht unterstützt. Stattdessen sprach sie sich für Verhandlungen mit dem Geflüchteten aus. Offensichtlich konnte sich die Regierungschefin, die auch in Kontakt mit Vertretern der UNO, der OSZE und dem amerikanischen Regierungsbeauftragten Robert Blake steht, jetzt im kirgisischen Notkabinett mit ihrer Linie durchsetzen. Zumindest erklärte Otunbajewa, man bereite Verhandlungen mit Bakijew vor. Wie verschiedene Medien berichteten, fällt es der neuen Regierung, die sich ausschließlich aus Vertretern früherer Oppositionsparteien zusammensetzt, auch in anderen Fragen schwer, eine einheitliche Position zu finden.
Angesichts des Streits in der neuen Regierung zeigt sich der gestürzte Präsident zunehmend selbstbewusst. Unmittelbar nach seiner Flucht wechselte Bakijew aus Angst vor einem Rachemord ständig seinen Aufenthaltsort. Inzwischen trat der gestürzte Präsident vor mehreren Tausend Menschen in seiner südkirgisischen Heimatstadt Dschalal Abad auf. Eine Leibgarde von 20 bewaffneten Männern begleitet den Präsidenten zu öffentlichen Auftritten und Pressekonferenzen.
Am 7. April war es in Bischkek, der Hauptstadt von Kirgistan, zu einem gewaltsamen Umsturz gekommen. Demonstranten hatten das Parlament und den Regierungssitz gestürmt. Vom Regierungssitz aus beschossen Scharfschützen Demonstranten. Einige Demonstranten schossen mit erbeuteten Kalaschnikows zurück. Auslöser für die Unruhen war die Verhaftung eines Oppositionspolitikers und die Erhöhung der Strompreise um das Zweieinhalbfache. Die Heizungspreise waren von der Regierung sogar um das Fünffache erhöht worden.
Völlig unklar ist bisher, warum Präsident Bakijew es riskierte, die Bevölkerung derart gegen sich aufzubringen. Auch ist unklar, was mit dem Einsatz von Scharfschützen gegen eine Menge von 10.000 Demonstranten bezweckt werden sollte. Dass Bakijew von den Massenprotesten in mehreren Städten überrascht wurde, ist unwahrscheinlich. Die Opposition gegen den autoritär regierenden Präsidenten, der sein Amt nach der Tulpenrevolution im Jahr 2005 antrat, wurde von Jahr zu Jahr stärker.
Die provisorische Regierung, die bisher jeden direkten Kontakt mit Bakijew ablehnte, hatte Menschenrechtler als Vermittler zu dem gestürzten Präsidenten geschickt. Gegenüber den Vermittlern erklärte der gestürzte Präsident, er sei unter bestimmten Bedingungen bereit zurückzutreten. Die Forderungen, die Bakijew stellt, sind jedoch kaum erfüllbar. So fordert er nicht nur persönliche Sicherheit, sondern auch, dass die Gruppen von Männern, die sich selbst bewaffnet haben, von den Straßen verschwinden. Bakijew forderte außerdem, Wahlen nicht wie von der Regierung geplant in einem halben Jahr sondern bereits in drei Monaten abzuhalten.
Der gestürzte Präsident spielt offenbar auf Zeit und will als Politiker im Land bleiben, auch weil seine Chancen, in einem anderen Land Asyl zu finden, sehr gering sind. Die USA lehnten ein Asyl für Bakijew ab. Das russische Außenministerium erklärte, man habe bisher keinen Asyl-Antrag erhalten.