Polen

Präsidenten-Begräbnis spaltet Bevölkerung

Weder in der Warschauer Erzkathedrale oder in der Familiengrabstätte in Warschau noch im beliebten Ostsee-Ort Sopot – das Präsidentenpaar soll auf dem königlichen Schloss Wawel in Krakau bestattet werden. Das hat die Familie der Kaczynskis so entschieden. Doch dieser Beschluss spaltet die in der Trauer vereinte Bevölkerung.

„Powazki-Friedhof ja, Wawel nicht“, „Nicht auf dem Wawel“, „Kaczynski war kein König“, steht auf den Transparenten der über 500 Menschen, die sich Dienstagnacht vor der Krakauer Kurie versammelt haben. „Seit Samstag habe ich um den Präsidenten und die anderen Opfer getrauert. Ich finde es eine Tragödie“, sagt Barbara, eine Krakauerin, die mit dabei ist. „Aber ihn nun auf dem Wawel zu begraben, das finde ich weit übertrieben.“ Er passe einfach nicht in die dortige Gesellschaft, ergänzt ein junger Mann. Die Bilder aus dem nächtlichen Krakau sind eine dramatische Diskrepanz zu dem, was in den vergangenen Tagen in Polen zu sehen war.

Am Dienstagabend wurde bekannt gegeben, dass Präsident Lech Kaczynski und seine Frau  auf dem Königsschloss in Krakau, der ehemaligen Hauptstadt Polens, begraben werden sollen. Bis zum 17. Jahrhundert fanden dort reguläre Bestattungen statt, danach wurde nur für  die Gebeine der bekanntesten Führer und Poeten eine Ausnahme gemacht, u.a. für den Nationalpoeten Adam Mickiewicz und den Marschall Jozef Pilsudski. Andere hochrangige Politiker, darunter der letzte König Polens Stanislaw August Poniatowski und auch die Präsidenten der Zwischenkriegszeit ruhen in der Warschauer Erzkathedrale. Jetzt soll, zur  großen Überraschung vieler Polen, mit dieser Regel gebrochen werden.

Seit der Flugzeugkatastrophe bei Smolensk am Samstag wurde immer wieder spekuliert, wo der Präsident und seine Frau sowie weitere Unfallopfer ruhen sollten. In der Gerüchteküche wurde ohne Zweifel auf einen der möglichen Warschauer Orte spekuliert: entweder die Erzkathedrale in der Altstadt, wo die vor dem Krieg amtierenden Präsidenten liegen, oder der neu gebaute Tempel der Gottvorsehung oder der Friedhof Powazki, wo die Kaczynskis ein Familiengrabstätte haben.

Die Entscheidung, das Präsidentenpaar in Krakau beizusetzen, wurde von der Familie von Lech und Maria Kaczynski getroffen, heißt es. Inoffiziell spricht man davon, dass die entscheidende Stimme Jaroslaw Kaczynski, der Bruder des verstorbenen Präsidenten, gehabt haben soll. Seine Bewunderung für Marschall Jozef Pilsudski ist allseits bekannt. Auch Lech Kaczynski war von Pilsudski fasziniert und berief sich öfter in seiner Politik auf ihn. Jetzt soll er ausgerechnet in einer Krypta neben dem Marschall liegen.

Das Schloss Wawel sei der richtige Bestattungsort für Lech Kaczynski, sagte Stanislaw Dziwisz, der Krakauer Kardinal. „Der Präsident ist auf eine besondere Art gestorben, man kann sagen heldenhaft, denn er flog nach Katyn, um die polnischen Märtyrer zu ehren.“ Deshalb solle der Name Lech Kaczynskis neben den berühmten Polen und anerkannten Helden stehen, betonte der Kardinal. Er hoffe, dass diese Entscheidung die Polen weiter einen werde.

„Es ist eine symbolische Ehre für alle Opfer des Unglücks sowie für die Offiziere und Menschen, die vor 70 Jahren in Katyn ermordet worden sind“, sagte Jaroslaw Gowin, ein Abgeordneter der Bürgerplattform. Die meisten seiner Kollegen halten sich erst einmal mit Kommentaren zurück. Einige, wie Katarzyna Piekarska von den Sozialdemokraten, warnte vor Streit und Unruhe in der Bevölkerung.

Doch dies ist wohl nicht mehr aufzuhalten. Denn diese Entscheidung spaltet Polen offenbar – womit die nationale Solidarität nach der Katastrophe enden könnte. Sofort nach der Bekanntgabe der Entscheidung tauchten mehrere kritische Stimmen auf. „Es ist eine ziemlich ungünstige Idee“, urteilte der Philosoph Jan Hartmann. Bischof Tadeusz Pieronek sagte, es sei nicht nur die Familie, sondern auch die Nation, die über dem Begräbnis des Präsidenten entscheiden sollte.

Der letzte Präsident im Exil, Ryszard Kaczorowski, wird auch in Warschau ruhen. „Für mich persönlich ist die Sache klar – Staatsoberhäupter werden in der Hauptstadt begraben, und zurzeit ist dies Warschau“, so Pieronek. In Krakau sind indes weitere Proteste angekündigt worden.

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Begräbnis am Sonntag
Für das offizielle Begräbnis des Präsidentenpaares am Sonntag haben Politiker aus aller Welt ihre Teilnahme zugesagt: US-Präsident Barack Obama, der russische Präsident Dmitri Medwedew, Bundeskanzlerin Angela Merkel, Bundespräsident Horst Köhler, Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite, der Vorsitzende der Europäischen Kommission Jose Manuel Barosso, der Vorsitzende des Europäischen Rates Herman Van Rompuy, NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die Präsidenten von Georgien, Estland, Bulgarien sowie Vertreter der weiteren Staaten.

Einen Tag vor der Bestattung in Krakau wird eine Trauerzeremonie für alle 96 Opfer in Warschau stattfinden. Danach werden sie in ganz Polen, in ihren Heimatstädten, begraben. Die Bürgermeisterin von Warschau, Hanna Gronkiewicz-Waltz, versicherte mittlerweile, dass allen Interessierten einen Platz auf dem bekannteen Warschauer Friedhof Powazki angeboten werde.


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