Skepsis vor dem Gipfel
Die Limousinen Obamas und Medwedews sind schon per Flieger in Prag eingeschwebt, angeblich auch ein Hubschrauber für den amerikanischen Präsidenten. Die Böden der Suiten in zwei Nobelhotels werden gewienert. Polizei und Armee stehen in höchster Bereitschaft, um den Gipfel abzusichern. Die Innenstadt und das Areal mit der Burg über der Moldau werden in eine Festung verwandelt. Straßensperrungen allerorts kündigen an, dass das alltägliche Prager Verkehrschaos noch einmal übertroffen wird, wenn die Präsidenten tatsächlich da sind.
„Das hatten wir schon einmal, es ist uns nicht gut bekommen“
Doch es sind weniger die Verkehrsprobleme, die die Tschechen vor dem Gipfel umtreiben. Vielmehr rätseln sie darüber, was das ganze Spektakel ihnen bringen soll. In den Zeitungen häufen sich Kommentare, die die Angelegenheit skeptisch sehen. Eines fällt dabei immer wieder auf: die Angst, das Land könnte sich in eine unvorteilhafte Brückenfunktion zwischen Ost und West hinein manövrieren. „Das hatten wir in der Geschichte schon einmal, und es ist uns nicht gut bekommen“, heißt es.
Man erinnert sich an die zweite Hälfte der 1940er Jahre, als sich der damalige tschechoslowakische Präsident Edvard Benes in Moskau anbiederte und dem Westen einzureden versuchte, Stalin sei gar nicht so schlimm, wie es den Anschein habe. Im Westen nahm man den überambitionierten Benes nicht ernst. Moskau aber nutzte die Gelegenheit und stellte gleich Forderungen an Prag à la: Wenn ihr uns als entscheidenden Partner haben wollt, dann lasst uns euer Uran abbauen, das wir für die Atombombe brauchen. Die Karpato-Ukraine mussten die Sowjets gar nicht erst fordern, die bot ihnen der Präsident der Tschechoslowakei von ganz allein an. Und Benes legte den Kommunisten auch fortan auf ihrem Weg zur Macht keinen Stein in den Weg – ganz so, wie es sich Moskau gewünscht hatte. Die Tschechen bezahlten mit den langen Jahren der Stagnation unter sowjetischer Herrschaft, was Benes bis heute angelastet wird.
Manche sprechen gar von „Verrat“
Das Prager Außenministerium fühlte sich denn auch bemüßigt, bestimmten Sorgen entgegen zu wirken. Die Vereinigten Staaten hätten den Plan zur Unterzeichnung des neuen START-Vertrages in Prag mit den Tschechen „als Verbündeten“ konsultiert und wüssten „sehr gut, dass wir keine Brücke zwischen Ost und West sein wollen, sondern dass wir fest in der Nordatlantischen Allianz verankert sind“.
Doch – und das ist die zweite Frage, die die Tschechen umtreibt – wie weit ist es tatsächlich her mit dem Bündnis zwischen Prag und Washington? Als Obama auf Druck Moskaus den Plan seines Vorgängers George W. Bush aufgab, in Tschechien eine Radarstation für einen Raketenabwehrschild zu bauen, stieß er damit bei vielen tschechischen Politikern auf wenig Verständnis. Immerhin hatten die eine Menge Arbeit investiert, um diesen Plan den eigenen Landsleuten schmackhaft zu machen. Manche sprachen gar von „Verrat“ und einem „neuen München“. Sie erinnerten an das Münchner Abkommen von 1938, als die Westmächte die Tschechoslowakei an Hitler auslieferten, um so einen Krieg zu verhindern. Wie sehr dies bis heute schmerzt, musste sich der britische Thronfolger Prinz Charles jüngst in einer Tischrede von Präsident Vaclav Klaus in Prag anhören.
Was die Obama-Kritiker übersehen: Trotz massiver Überzeugungsversuche der tschechischen Politiker blieb das Radarprojekt in der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Eben diese Tatsache wurde von den Amerikanern auch als ein Grund angeführt, die unterschriebenen Radar-Verträge wieder aufzukündigen.
Dennoch: Mehr als für die Unterschrift unter den neuen START-Vertrag werden sich die Tschechen dafür interessieren, was Obama am Rande des Gipfels den Präsidenten zahlreicher mittel-osteuropäischer Staaten zu sagen hat. Dass nämlich die Befürchtungen übertrieben seien, dass Washington seine politischen und militärischen Partner aus dieser Region dem Neustart der Beziehungen zu Moskau „opfern“ werde. Hier wird Obama seine Worte sehr genau abwägen müssen. Denn solche Befürchtungen haben nicht nur die Tschechen.