Tschechien

Rote Karte für Ex-Premier Topolanek

Zwei Monate vor den Parlamentswahlen wird die politische Szene in Tschechien heftig durchgeschüttelt. Die bürgerliche ODS, die im vergangenen Jahr mitten in der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft die Regierungsbänke räumen musste, durchleidet ihre schwerste Krise seit Mitte der 1990er Jahre. Damals stolperte sie unter Parteichef Vaclav Klaus über eine Parteispendenaffäre. Jetzt putschten die ODS-Führer gegen den aktuellen Parteichef Mirek Topolanek. Am Dienstag noch hatte Topolanek in einem 20-stündigen Sitzungsmarathon des inneren ODS-Führungszirkels seinen Kopf retten können. Am Donnerstagabend aber bekam er vom Exekutivausschuss, dem höchsten Organ zwischen den Parteitagen, die Rote Karte.

Rundumschlag gegen Schwule, Juden und Kirchgänger

Ein peinliches Interview Topolaneks mit einem Schwulenmagazin, in dem er zu einem Rundumschlag gegen Schwule, Juden, Kirchgänger und seine Landsleute an sich ausgeholt hatte, kostete ihn seine Karriere. Topolanek wurde sowohl als ODS-Zugpferd als auch als Spitzenkandidat im südmährischen Wahlbezirk geschasst. Die Parteifreunde empfahlen ihm zudem, sein Verbleiben an der Parteispitze zu überdenken. Es dürfte nur eine Frage von einigen Tagen sein, bis Topolanek auch dieses Amt aufgibt und sich ganz aus der Politik verabschiedet. Dass er derzeit noch formal die Partei führt, liegt schlicht daran, dass er nur von einem Parteitag abgewählt werden kann, solange er nicht freiwillig geht.

Der Putsch gegen Topolanek hat viele Gründe. Zum einen war da das erwähnte Interview, in dem er sich abfällig über Schwule wie den bekennenden homosexuellen Verkehrsminister Gustav Slamecka geäußert hatte. Slamecka warf er ebenso Feigheit vor wie dem amtierenden Premier Jan Fischer, bei dem die Feigheit daher rühre, dass er Jude sei. Die Kirchgänger bezeichnete Topolanek als Opfer einer „Massenverdummung“ und einer „Gehirnwäsche“ durch die Kirche. Und über seine Landsleute im allgemeinen urteilte er: „Wie sind sie, die normalen Tschechen? Schweinebraten, Knödel und Kraut. Im Grunde genommen muss man sie alle einsperren und in den Hintern treten.”

Zwar entschuldigte sich Topolanek wortreich, aber der Schaden war nicht zu reparieren. Nicht nur die linke Opposition rieb sich die Hände. Der Putsch begann in der eigenen Partei: Senatspräsident Premysl Sobotka distanzierte sich von Topolanek und legte ihm nahe, seine Sachen zu packen. Das vorläufige Ende ist nun da.

Keine Ideen, kein Programm

Es waren aber nicht nur die verbalen Aussetzer in dem erwähnten Interview, die Topolanek den Kopf kosteten. Die Tschechen waren derlei von dem häufig grobschlächtigen Ex-Premier schon gewohnt. Topolanek hat vielmehr auch zu verantworten, dass die ODS in den Umfragen weit abgeschlagen hinter den Sozialdemokraten liegt. Während alle anderen Parteien längst Wahlkampf machten, passierte bei der ODS so gut wie nichts. Keine Ideen, kein Programm, von Wählermobilisierung ganz zu schweigen.

Die ODS schoss sich lediglich auf ein drohendes orange-rotes Bündnis zwischen Sozialdemokraten und ungewendeten Kommunisten ein. Das zieht aber bei den wenigsten Tschechen noch als Schreckgespenst. Die wollen vielmehr Antworten darauf, wie Tschechien aus der Krise heraus kommen will. Bisher hören sie nur von sozialen Wohltaten, mit denen die Sozialdemokraten den Verlierern der Krise unter die Arme greifen will. Ankündigungen, die das Volk gern hört und die zum Popularitätshoch der Orangen führten. Die ODS dagegen tut sich schwer, das eigentlich Erforderliche in dieser Zeit – Schweiß und Tränen – geschickt zu verkaufen. Lieber schwieg sie.

Kann Necas das Ruder rumreißen?

Das soll sich nun ändern. Neues Zugpferd vor den Wahlen ist der Sozialexperte und bisherige ODS-Vize Petr Necas. Der gilt als einer der kompetentesten Leute in der Partei und ist zudem einer der wenigen, die bislang in keinen Skandal verwickelt waren. Necas ist allerdings eher ein nüchterner Typ, keineswegs eine charismatische Wahllokomotive. Ob er das Ruder noch herumreißen kann, gilt daher als eher fraglich. Zumal die Partei nach der Topolanek-Affäre tief zerstritten wirkt und wohl noch länger vor allem mit sich selbst beschäftigt sein wird. Das dürfte sie geradewegs wieder auf die Oppositionsbänke bringen. Und die bürgerlichen Wähler haben mit der neuen konservativen Partei TOP 09 mit dem hoch beliebten Aushängeschild Karl Fürst Schwarzenberg eine Alternative.


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