Ungarn

Holocaust-Leugnung verboten

Holocaust-Leugnern drohen in Ungarn künftig hohe Haftstrafen. Am Mittwoch unterzeichnete der ungarische Staatspräsident László Sólyom ein entsprechendes Gesetz, das vor rund zwei Wochen vom ungarischen Parlament verabschiedet worden war. Wer in Zukunft öffentlich die Würde eines Holocaust-Opfers verletzt, indem er den Massenmord an Juden leugnet, in Frage stellt oder in seiner Bedeutung mindert, kann mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Die regierenden Sozialisten (MSZP) hatten eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuches in das Parlament eingebracht.

Das Gesetz ist verfassungskonform, sagte der Leiter des Präsidialamts, Ferenc Kumin, gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI. Präsident Sólyom kritisierte jedoch, es sei unklug gewesen, das Gesetz mitten im ungarischen Wahlkampf zu verabschieden. Momentan sei es nicht möglich, solch wichtige Fragen besonnen zu diskutieren. Die Initiative kommt zu einem Zeitpunkt, da Umfragen der rechtsradikalen Partei Jobbik bei den Parlamentswahlen im April bis zu neun Prozent der Stimmen zurechnen.

Als ein wichtiges Instrument im Kampf gegen Antisemitismus bezeichnete deshalb auch der Verband jüdischer Gemeinden (Mazsihisz) das Gesetz. Behörden könnten nun denjenigen Gruppen entgegentreten, die den sozialen Frieden gefährden, hieß es in einer offiziellen Mitteilung. „Die Regelung verdeutlicht, wie weit man gehen darf, ohne die Würde eines Menschen zu verletzen“, sagte Mazsihisz-Chef Péter Feldmájer. Der Verband hatte sich seit 1992 wiederholt für ein Verbot der Leugnung des Holocaust eingesetzt, dem im Zweiten Weltkrieg mehr als 500.000 ungarische Juden zum Opfer fielen. Auch die Selbstverwaltung der Roma-Minderheit begrüßte das neue Gesetz, das Minderheiten-Gemeinschaften in Schutz nehme, und zeigte sich zuversichtlich, dass Gruppen und Personen, die mit Nazi-Ideologie werben, bekämpft werden können.

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen. Éva Simon, Rechtsanwältin der Gesellschaft für Freiheitsrechte, bemängelte die Ungenauigkeit der Regelung: „Es ist nicht klar, wann genau die Würde des Menschen verletzt wird und wer eigentlich zur Gruppe der Holocaust-Opfer gezählt werden kann. Gehören dazu auch die zweite und dritte Generation der Opfer? Fragen, auf die die Begründung des Antrags keine Antworten gibt“, so Simon gegenüber dem Nachrichtenportal Index.hu. Ebenso sei umstritten, was eigentlich mit „öffentlich“ gemeint ist. „Denn öffentlich ist nicht nur die Rede bei einer Veranstaltung in Budapest, sondern auch der Kommentar eines Blogbeitrags.“

Die größte Oppositionspartei Fidesz kritisierte, dass sich das Gesetz nur auf die Taten des faschistischen, nicht aber auf die des kommunistischen Regimes bezieht. Dies hätte der Präsident berücksichtigen müssen, so ein Sprecher. Der Fidesz hatte noch versucht einen entsprechenden Änderungsantrag einzubringen, war damit aber im Parlament gescheitert.

Grundsätzlich befürchten Kommentatoren, dass ein Gesetz zum Verbot der Holocaust-Leugnung das in der Verfassung verankerte Recht auf Meinungsfreiheit untergräbt – ein Grund dafür, dass ein solches Gesetz bislang noch nicht verabschiedet wurde. In Ungarn haben Rede- und Meinungsfreiheit als Konsequenz aus der kommunistischen Diktatur einen hohen Stellenwert. Eine entsprechende Änderung des Strafgesetzbuches könnte das Recht auf Meinungsfreiheit stark einschränken, befürchten Beobachter.

Laut der MSZP-Vorsitzenden Ildikó Lendvai war es trotzdem höchste Zeit für eine gesetzliche Regelung. Die Meinungsfreiheit sei ein wichtiges Gut, doch gegen die Ausgrenzung menschlicher Schicksale müssen man vorgehen. Ungarn brauche ein Gesetz, das die Leugnung des Holocausts verbietet, so Lendvai – wie es auch in vielen anderen europäischen Ländern der Fall sei.


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