„Kampf gegen Korruption ist mein Hauptziel" / Interview mit Ivo Josipovic
Der Sozialdemokrat Josipovic konnte sich bei einer Stichwahl im Januar gegen seinen Herausforderer, den unabhängigen Zagreber Bürgermeister Milan Bandic, mit 60 Prozent der Stimmen durchsetzen. Josipovic gilt als pro-europäisch orientierter Feingeist, der sein Land in die Europäische Union führen soll. Skandale sucht man im Lebenslauf des Jura-Professors und Komponisten vergeblich.
Ostpol: Herr Josipovic, Sie sind Sozialdemokrat, Premierministerin Jadranka Kosor gehört unterdessen der konservativen Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) an. Linker Präsident, rechte Premierministerin – kann solch ein Schulterschluss gut gehen?
Josipović: Der Staatspräsident hat die Pflicht, mit dem Premierminister zusammenzuarbeiten. Das sieht auch die Verfassung vor. Ich persönlich habe überhaupt keine Probleme damit und werde mich auf das konzentrieren, was gegenwärtig alle politischen Kräfte vereint: Auf innenpolitischer Ebene ist das einerseits die Bekämpfung der Korruption, andererseits der Ausweg aus der aktuellen Krise. Außenpolitisch habe ich ebenfalls zwei Ziele: Den EU-Beitritt unseres Landes und zum anderen möchte ich das Verhältnis zu unseren Nachbarländern verbessern. Ich denke, dass auch die Premierministerin diese Ziele unterstützt. Und dabei werden wir uns sicher gut ergänzen.
Die Europäische Union hat Kroatien im Hinblick auf die allgegenwärtige Korruption wiederholt kritisiert…
Josipović: Zu Recht! Zu Recht kritisiert sie Kroatien. Daher habe ich den Kampf gegen die Korruption auch zu meinem Hauptziel erklärt.
Was können Sie als Staatspräsident konkret gegen die Korruption im Land tun?
Josipović: Der Präsident hat zunächst einmal die Hoheit über die Sicherheitskräfte. Die Korruption gefährdet heutzutage die nationale Sicherheit im Land. Ich werde fordern, dass man dagegen ankämpft. Damit meine ich allerdings nicht die Korruption im Kleinen, womit sich eine andere Institution beschäftigen wird, sondern vielmehr die Korruption auf höchster Ebene. Dabei geht es um große Geschäfte, öffentliche Ausschreibungen, bei denen viel Geld im Spiel ist. Dabei müssen uns die Sicherheitskräfte helfen. Zudem brauchen wir in Kroatien ein neues Klima: Die Art, mit der wir mit der Korruption in Einklang leben, müssen wir ändern.
Eine weitere Forderung der Europäischen Union an ihren Beitrittskandidaten Kroatien sind Justizreformen. Wie sehen Sie das als Rechtswissenschaftler?
Josipović: Dass wir Schwierigkeiten mit der Rechtssprechung und der öffentlichen Verwaltung haben, ist schon lange bekannt. Und daran müssen wir arbeiten. Das Problem dabei ist allerdings die Umsetzung, darüber mache ich mir häufig Gedanken. Mir scheint, dass wir in den neunziger Jahren einige falsche Maßnahmen eingeleitet haben. Vor allem im Hinblick auf die – nennen wir sie mal – Säuberung im Rechtssystem. Dabei hat unser Rechtssystem viele Richter verloren.
Was ging damals vor sich?
Josipović: Damals spielten politische Kriterien eine Rolle: Es wurden Richter eingestellt, die fachlich versiert und korrekt sind, aber auch andere. Unsere Rechtssprechung wurde in den neunziger Jahren auf gewisse Weise verwüstet. Dann haben wir auf solch ein System, das nicht immer den Kriterien einer unabhängigen Rechtssprechung genügt hat, ein unabhängiges System aufgebaut. Und jetzt sehen wir, dass einige Dinge nicht stimmen, wir allerdings keine Mechanismen haben, um eingreifen zu können.
Haben Sie eine Strategie dagegen?
Josipović: Die einzige Strategie, die uns noch bleibt, ist: einen Schritt nach dem anderen zu tun. Umfassende Reformen, die kurzfristig Ergebnisse bringen, sind nicht möglich. Eines der wichtigsten Kriterien ist jedoch, dass die Rechtssprechung unabhängig ist. Die Regenerierung unseres Rechtssystems wird langsamer voranschreiten, als vielleicht gewünscht.
Könnte sich dies zeitlich auf den Abschluss der EU-Beitrittsverhandlungen auswirken?
Josipović: Sicher. Unsere Freunde in Europa wissen aber auch, dass man manche Dinge nicht über Nacht erreichen kann. Man kann über Nacht keinen Wolkenkratzer errichten. Wenn sich jedoch abzeichnet, dass 20 von 30 Stockwerken bereits errichtet wurden, dann erkennt man schon, dass dies ein Hochhaus wird. So ist es auch mit der Qualität unserer Rechtssprechung. Es ist wichtig, dass man unsere Bemühungen und die entsprechenden Resultate sieht.
Denken Sie, dass Kroatien die EU-Beitrittsverhandlungen noch in diesem Jahr abschließen wird?
Josipović: Ich denke, dass dies möglich ist. Zudem würde ich mir sehr wünschen, dass wir der Europäischen Union am 1. Januar 2012 beitreten können.
Im Parlament stimmten Sie – im Gegensatz zu vielen Ihrer Parteigenossen – gegen die Unterzeichnung des Schiedsabkommens mit Slowenien, das den Grenzstreit zwischen beiden Ländern regeln soll.
Josipović: Ich war dagegen und bin immer noch der Meinung, dass dies kein kluger Schachzug war. Er war nicht gut und könnte sogar eine Art Euroskeptizismus hervorrufen. Allerdings wurde das Abkommen unterzeichnet, ich achte es und mein Ziel ist natürlich, dass man es gut, korrekt und mit vereinten Kräften umsetzt. Und dabei alles, was Kroatien möglicherweise schaden könnte, so gering wie möglich hält.