Polen

Väter im Kinderzimmer

Kulturrevolution in kleinen Schritten: Gesetzesänderung unterstützt den Rollenwandel in Polen

(n-ost) – Die Frau sorgt fürs Kind und der Mann sorgt fürs Geld – so sieht die traditionelle Rollenverteilung auch in Polen aus. Doch seit einigen Jahren bewegt sich das starre System und die Aufgaben werden neu verteilt. Die jüngste Facette im changierenden Rollenbild ist ein Gesetz, das seit dem 1. Januar gilt. Väter von Neugeborenen dürfen nun zusammen mit der Mutter daheim bleiben. Zwar nur für eine Woche, aber es passt zur Richtung des gesellschaftlichen Wandels, der für Polen einer Kulturrevolution gleichkommt.

In einigen polnischen Firmen gibt es spezielle Programme für junge Eltern. Sie wollen sich besser um Mütter und auch Väter kümmern. Davon hat zum Beispiel der Bankmanager Artur Gałęza profitiert. Nach der Geburt seines Kindes bekam er zwei freie Tage, die gesetzlich vorgeschrieben sind, und zusätzlich erlaubte die Firma ihm drei weitere freie Tage.

Das begrüßt etwa die Demokratische Frauen-Union in Danzig, die sich für mehr Gleichberechtigung  einsetzt. “Wenn der Mann sich um das Kind kümmert, liebt er das Kind viel stärker”, meint Lucyna Orłowska, die Leiterin der Union. Ihrer Meinung nach ist es besonders wichtig, dass Männer sich von Anfang an um ihre Kinder kümmern. Deshalb gefällt ihr die Regelung der Bank sehr gut. Denn wenn der Vater keine Zeit hat für sein Kind, können sich beide nicht aneinander gewöhnen. Der Säugling könnte weinen, weil der Vater ihm fremd ist, und der Vater könnte darüber enttäuscht sein und sich vom Kind abwenden.

Artur Gałęza hat das Gegenteil erlebt. Er hat sich von Anfang an um seine beiden Söhne gekümmert und versteht sich heute sehr gut mit ihnen. “Manchmal war es auch hart”, erinnert er sich. “Meine Frau reiste nach Hongkong und auf die Insel Bali. Das war eine sehr schwierige Zeit.” Der jüngere Sohn war damals erst zwei Monate alt. “Ich musste ihn nachts drei, vier Mal füttern”, klagt Gałęza. “Ich habe in dieser Zeit zehn Tage lang praktisch  nicht geschlafen.” Viele Mütter kennen das gut, doch für Väter ist diese Erfahrung neu.

Artur Gałęza ist heute 34 Jahre alt, seine beiden Söhne sind vier und sieben. Seine Frau ist Direktorin einer Schule und engagiert sich zusätzlich politisch. Wenn sie unterwegs ist, kümmert er sich nach wie vor um die Kinder und den Haushalt. “Dann mache ich eigentlich alles: von der Vorbereitung des Frühstücks bis zum Abendessen”, sagt Artur Galeza. Er gehört zu den modernen polnischen Vätern. “Ich ziehe die Kinder an und bringe sie in den Kindergarten beziehungsweise in die Schule. Ich bade sie und mache mit ihnen die Hausaufgaben. Ich übernehme alle Pflichten”, sagt er.

Was in Polen noch vor ein paar Jahren unvorstellbar war, wird heute immer öfter Alltag. Dass sich die Zeiten geändert haben, bestätigen auch junge Mütter. Von Gałęzas männlichen Kollegen kümmern sich viele um ihre Kinder. Die neu geregelte Elternzeit für Väter soll diese Tendenz noch verstärken.

Katarzyna Tuszynska
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