Kroatien

Stichwahl entscheidet über neuen Präsidenten

Es ist Sonntagabend, kurz nach Mitternacht, als Ivo Josipović auf die Bühne tritt. Minutenlang jubeln die Wahlhelfer im Raum seinen Namen, vor laufender Kamera. Josipović lächelt zurückhaltend, setzt zur Siegesrede an. Und bedankt sich bei seinen Wählern, die für ein künftiges Kroatien „ohne Korruption und organisiertes Verbrechen“ gestimmt hätten. Der 52-jährige oppositionelle Kandidat der Sozialdemokraten, ein feingeistiger Jura-Professor und Komponist, konnte 32,4 Prozent der vorläufigen Wählerstimmen für sich verbuchen. Und kommt somit in die zweite Wahlrunde, denn für die Wahl zum Staatspräsidenten ist eine absolute Mehrheit erforderlich.

Josipović gilt als zurückhaltend, intellektuell. Er ist ein neues Gesicht auf dem politischen Parkett in Kroatien, ohne Altlasten, sagt man ihm nach. Das einzige, das kroatische Medien in den vergangenen Wochen an ihm zu kritisieren hatten, war die Wahl seiner Krawatten oder eben seine vermeintliche „Farblosigkeit“. Mit seinem Slogan „PravDA“, einem Wortspiel aus „Gerechtigkeit“ und „Ja zum Recht“, will er die Korruption im Land bekämpfen. Und ist damit nicht allein auf weiter Flur, denn dieses Wahlmotto hatten sich auch die übrigen elf Kandidaten unisono auf die Fahnen geschrieben.

Bis die vorläufigen amtlichen Ergebnisse gegen Mitternacht vorlagen, war allerdings nicht klar, wer Josipović in der zu erwartenden Stichwahl am 10. Januar gegenüber stehen wird. Weit abgeschlagen kämpften gleich mehrere Kandidaten um den Einzug in die zweite Runde. Das Rennen machte schließlich der Zagreber Bürgermeister Milan Bandić mit vorläufigen 14,84 Prozent. Ein populistischer Dissident der Sozialdemokraten, der als unabhängiger Kandidat angetreten war. Im Nachbarland Bosnien und Herzegowina geboren, in dem 268.000 Kroaten wahlberechtigt sind, setzte er vor allem auf seine dortigen Landsleute. Zu Recht, denn diese stimmten zu 57 Prozent für Bandić. Und er setzte natürlich auf die Hauptstadt Zagreb, in der immerhin fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung Kroatiens lebt.

Enttäuscht zeigte sich der Kandidat der konservativen Regierungspartei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ), Andrija Hebrang. Er lag mit vorläufig 12,01 Prozent recht dicht hinter Bandić. Die jüngsten Umfragen hatten ihn nicht als Drittplatzierten gesehen. Hebrang wetterte in seiner nächtlichen Rede, dass ihn gleich mehrere unabhängige Kandidaten um seine Stimmen gebracht hätten, die ebenfalls auf das konservative Wählerspektrum gesetzt hatten. Sieben waren es insgesamt, die ohne Rückendeckung der Partei angetreten waren. Zu den Verlierern gehört auch der unabhängige „kroatische George Clooney“, Wirtschaftskammer-Chef Nadan Vidosević, der mit 11,3 Prozent als Top-Anwärter auf die zweite Runde galt.

Die Amtszeit des populären, pro-europäischen zweiten kroatischen Präsidenten Stipe Mesić läuft am 18. Februar aus. Er darf nach zehn Jahren im Amt und zwei Mandaten nicht mehr zur Wahl antreten. Mesić bedauerte am Sonntagabend die geringe Wahlbeteiligung von nur rund 44 Prozent. Doch die Wahlkampagnen hätten keine Visionen aufgezeigt, wie die Bewerber Kroatien im 21. Jahrhundert in die Europäische Union führen wollten. Und seinem Nachfolger steht letztlich genau diese Aufgabe bevor.

4,495 Millionen Kroaten in der ganzen Welt waren am Sonntag aufgerufen, den dritten Präsidenten des jungen Adrialandes zu wählen. Die Zahl der Auslandskroaten, die an die Wahlurnen durften, lag etwa bei fast zehn Prozent. Dass auch diese wählen dürfen, ist der Opposition seit langem ein Dorn im Auge. Denn das Ausland wählt traditionell konservativ.

Der künftige Präsident wird sein Amt in Zeiten einer schweren Wirtschaftskrise, aber auch zahlreicher Korruptionsaffären antreten, die in den vergangenen Wochen ans Tageslicht getreten sind. Dass diese erst jetzt bekannt werden, hängt mit dem völlig überraschenden Rücktritt des ehemaligen kroatischen Premierministers Ivo Sanander im Juli diesen Jahres zusammen. Dessen Nachfolgerin Jadranka Kosor hatte danach eine Politik der Korruptions-Aufdeckung eingeläutet.

Seither steht nicht nur Sanader, sondern auch die HDZ-Partei im Fegefeuer der Kritik. Das könnte einer der Gründe gewesen sein, so politische Beobachter, warum Präsidentschafts-Kandidat Hebrang nicht in die zweite Runde gekommen ist. „Niemand ist unantastbar“, sagte Premierministerin Kosor im Hinblick auf ihre rigorosen Korruptionsermittlungen. Eine Maßnahme, die auch in Brüssel begrüßt wird, denn die EU musste ihre Beitrittskandidatin wiederholt dazu auffordern, der Korruption stärker zu Leibe zu rücken.


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