Heißer Wahlkampf trotz Winterkälte
Die aktuelle kroatische Wahlkampfpropaganda lässt sich verknappt als „K. u. K.“ abkürzen. Das steht allerdings nicht für die Rückkehr des Landes zur Donaumonarchie, sondern für die beiden Schlagworte „Korupcija“ („Korruption“) und „Kriminal“ („organisiertes Verbrechen“). Deren Bekämpfung haben sich die zwölf Präsidentschaftskandidaten, unabhängig von ihrer politischen Couleur, auf die Fahnen geschrieben. Schlagworte, die man auch in Brüssel nicht nur gerne hört, sondern im Hinblick auf die weitere EU-Annäherung Kroatiens nachdrücklich fordert. Ende 2010 sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein, für 2012 wird mit dem Beitritt gerechnet. Doch bis dahin muss Kroatien noch einige Hausaufgaben machen, etwa die bevorstehende Privatisierung der Werften, die in Kürze ins Haus steht.
Wer für die kommenden fünf Jahre in die Präsidentenvilla Pantovčak auf der noblen Zagreber Anhöhe einziehen wird, ist noch unklar. Mehr als eine Ellenlänge voraus ist der offizielle Kandidat der Sozialdemokratischen Partei (SDP), Ivo Josipović: ein Jura-Professor und feingeistiger Komponist, Leiter der Zagreber Musikbiennale, ohne schwarze Flecken auf seiner politischen Weste – weshalb ihm einige kroatische Medien das Adjektiv „farblos“ angeheftet haben. Sein Slogan „Gerechtigkeit für Kroatien“ zielt auf Bildungsgleichheit, aber auch auf bessere Renten. Und nicht zuletzt auf die Aufdeckung von Korruptionsaffären, die das Land seit Jahren erschüttern. Fast jeder Dritte von 1.000 Befragten würde Josipović nach Angaben der Meinungsforschungsagentur Puls seine Stimme geben.
Weit abgeschlagen drängen sich drei weitere Kandidaten, denen Josipović in der zweiten Wahlrunde gegenüber stehen könnte. Da ist zum einen der unabhängig kandidierende Nadan Vidosević, eigentlich Mitglied der konservativen Partei Hrvatska Demokratska Zajednica (HDZ) und Chef der kroatischen Wirtschaftskammer. Er gilt als kroatischer George Clooney, ist smart, reich und vermarktet kroatische Produkte rund um den Globus. Für ihn würden 14 Prozent der Wahlberechtigten stimmen.
Primorac, Vidošević und Hebrang (von links nach rechts), die alle drei einmal der HDZ angehörten. Doch nur Hebrang ist deren offizieller Kandidat. Foto: Veronika Wengert.
Ganz vorne mischt auch der aus der Herzegowina stammende Zagreber Oberbürgermeister Milan Bandić mit, der auf die Kroaten in seinem Geburtsland als Wähler hofft. Zudem setzt er auf die Hauptstadt Zagreb, in der immerhin fast jeder vierte Einwohner Kroatiens lebt. Der Dissident der Sozialdemokraten dürfte vor allem in der zweiten Wahlrunde auf 270.000 Kroaten aus dem Nachbarstaat Bosnien-Herzegowina setzen, die ihn unterstützen. Stark aufgeholt hat außerdem der unabhängige Kandidat und Ex-Bildungsminister Dragan Primorac, sonst HDZ-ler, ein jugendlich wirkender Wissenschaftler, der auf Forscher und Kriegsveteranen als Stimmgeber setzt.
Sympathie-Einbußen erlitten hat hingegen der Spitzen-Mann der Regierungspartei HDZ, Andrija Hebrang, dessen Popularität laut Puls innerhalb eines Monats von 12,2 auf 7,6 Prozent gesunken ist. Auch in traditionellen HDZ-Wahlkreisen wie Slawonien muss Hebrang Abstriche machen. Wer in landwirtschaftlich geprägten Regionen mit den Bauern um Milchpreise feilscht, erzielt sicher nicht nur Sympathien, sagen politische Beobachter. Die HDZ ist jedoch bei den Auslandskroaten stark, die ebenfalls an die Wahlurnen dürfen, und auch in den ehemaligen Kriegsgebieten im Land. Allerdings ist auch hier alles offen, denn HDZ-Wähler gelten als treu. Den übrigen Kandidaten werden unterdessen nur marginale Stimmanteile vorausgesagt.
Wer das Wahlplakat von Miroslav Tudjman entdeckt, könnte ihn glatt für seinen verstorbenen Vater, den Autokraten Franjo Tudjman, halten. Foto: Veronika Wengert.
Zu diesen gehört der unabhängige Miroslav Tudjman, der als ausgesprochener Euro-Skeptiker gilt und auf „kroatische Werte“ setzt – ganz im Geist seines verstorbenen Vaters, Franjo Tudjman, der das Land als erster Staatspräsident autokratisch durch die 90er Jahre führte. Dass sein Popularitäts-Index bei einem Prozent liegt, spiegelt die Hoffnung der Kroaten darauf, dass die Warteschleife auf Europa bald ein Ende hat. Das dürfte auch Vesna Pušić, Chefin der liberal-bürgerlichen Partei HNS freuen, die man in Europa vor allem deshalb kennt, weil sie kräftig in bei den EU-Beitrittsverhandlungen mitmischt.