Posen wird zum ökumenischen Mekka
In Westpolen kommen Ende Dezember rund 30.000 Pilger zum 32. Europäischen Jugendtreffen des Taize-Ordens zusammen
(n-ost) – Viel Trubel herrscht derzeit zwischen den Mauern eines Schwesternheims in der Posener Innenstadt. Ununterbrochen klingelt das Telefon, die Wände sind mit großen Stadtplänen beklebt und aus den einzelnen Räumen dringt ein Gewirr verschiedener Sprachen. Dutzende Freiwillige aus der ganzen Welt sowie unzählige Posener Jugendliche sind die Hauptakteure bei den Vorbereitungen des 32. Europäischen Jugendtreffen der Taizegemeinschaft. Ende Dezember werden 30.000 jugendliche Pilger an der Warthe erwartet. Davor müssen Sonder-Beschilderungen in der Stadt aufgestellt, die Messehallen entsprechend geschmückt und immer wieder noch Schlafplätze organisiert werden.
Jedem reichen zwei Quadratmeter für den Schlafsack“, mit diesem Aufruf wandte sich unlängst der Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki an die Gläubigen des Bistums, um noch fehlende Schlafplätze zu finden. Plakate und Flyer mit genau diesem Spruch hängen derzeit in fast allen Kirchen der westpolnischen Stadt aus. Von einem Schlafplatzmangel aber will Bruder Marek, der vor 32 Jahren dem ökumenischen Orden beigetreten ist, nichts wissen. Vor wenigen Tagen titelte eine lokale Zeitung „Posener wollen Pilger nicht übernachten lassen“ und spielte damit auf den der Stadtbevölkerung zugeschriebenen Geiz an. „Wir haben 150 Pfarrgemeinden, die jeweils Schlafplätze für 50 bis 300 junge Pilger anbieten“, beruhigt Bruder Marek, räumt aber auch ein, dass sich die Menschen oft erst kurz vor den Jugendtreffen bereitfänden, Übernachtungsplätze bereitzustellen.
Bruder Marek ist seit 32 Jahren Taize-Bruder und gebürtiger Posener. Foto: Markus Nowak.
Die 55-jährige Magda Zoberowicz braucht sich Knauserei nicht unterstellen zu lassen. Sie bietet Ende des Jahres zwei Pilgern eine Unterkunft, ganz gleich, woher sie kommen und ob es mit der Verständigung im Hause Zoberowicz klappen wird. Die Tochter werde übersetzen. Ihre Motivation sei „der Dank dafür, dass die Tochter im letzten Jahr in Brüssel herzlich aufgenommen wurde“.
Der 60-jährige Bruder Marek ist mit einem Duzend Fratern des ökumenischen Taize-Ordens seit Herbst in der Stadt an der Warthe, um die interreligiöse Jugendbegegnung zwischen Weihnachten und Neujahr zu planen – und unter anderem auf Suche nach Frauen wie Magda Zoberowicz. Am Anfang musste der Kontakt zu den Pfarrgemeinden hergestellt werden, um die Taize-Bruderschaft öffentlich zu machen. Denn in dem Land mit über 90 Prozent Katholikenanteil sind ökumenische Gruppen eine Seltenheit: „Das Treffen in Polen wird geprägt sein von der Tatsache, dass alle katholisch sind“, sagt Bruder Marek.
Dennoch mache die Kirchenbindung der Polen die Organisation für die Taize-Brüder einfach. Bruder Marek staunt über die zahllosen Freiwilligen in der Stadt. Beim letzten Treffen in Brüssel sei das schwieriger gewesen, sagt er. Eine der Freiwilligen ist die Studentin Karolina Tasarek. Die 23-jährige Posenerin sitzt zwischen ihren Vorlesungen in dem Organisationsbüro beim Telefondienst oder hilft bei Sprachproblemen. „Ich fahre seit einigen Jahren zu den Taize-Treffen und mir ist viel daran gelegen, die Gastfreundschaft, die ich immer empfangen habe, zurückzugeben“, erklärt sie. Aus Deutschland ist Tobias Derer nach Posen angereist. Der 19-Jährige leistet derzeit Zivildienst in dem französischen Dorf Taize und war in den vergangenen Wochen in zahlreichen Städten zwischen Oder und Bug, um für das Massentreffen im Westen des Landes zu werben. „Ich wurde sehr warm willkommen geheißen“, erinnert er sich.
Der 19-jährige Tobias ist Freiwilliger aus Fulda. Foto: Markus Nowak.
Warm willkommen heißen möchte die Stadt und das Bistum Posen die 30.000 Pilger Ende des Monats, auch wenn das Wetter in Posen Ende Dezember nicht so mild sein wird wie bei früheren Begegnungen etwa in Barcelona oder Mailand. Dieses Jahr stehen die Organisatoren um Bruder Marek ohnehin vor einem bisher nicht da gewesenen Problem: Wegen der H1N1-Pandemie-Warnung der WHO riefen die Taize-Brüder nun selbst auch zur Impfung auf.
Das Treffen wegen der Grippe-Pandemie abzusagen kam den Brüdern allerdings nicht in den Sinn. Die Posener Stadtoberen und das Bistum wären nicht glücklich darüber gewesen, haben sie doch die Brüder im Vorfeld umworben: Einladungsbriefe von Erzbischof Gadecki, der Posener Ökumenischen Gruppe sowie des Stadtpräsidenten Ryszard Grobelny erreichten die Brüder in Taize, bevor sie sich entschlossen haben, das Jugendtreffen nach 1989 und 1995 in Breslau und 1999 in Warschau nun zum vierten Mal zwischen Oder und Bug zu veranstalten. „Es war nicht einfach, uns zu überzeugen“, sagt Bruder Marek und verweist darauf, dass Posen mit seinen 550.000 Einwohnern keine Hauptstadt sei.
In einer der Posener Kirchen beten täglich die Taize-Brüder mit den Freiwilligen. Foto: Markus Nowak.
Ausschlaggebend sei schließlich die Ausdauer der Posener Jugendlichen gewesen, die sich seit Jahren für ein Treffen in der eigenen Stadt eingesetzt haben, sagt der Ordensmann. Da er selbst geborener Posener sei, habe er auch auf seine Mitbrüder eingeredet, gibt er mit einem Schmunzeln zu. Genaue Besucherzahlen stehen noch nicht fest, aber schon jetzt ist klar, dass die meisten der rund 30.000 Jugendlichen aus Polen kommen werden, wie auch bei den meisten anderen Jugendtreffen zwischen Weihnachten und Neujahr. In diesem Jahr werde auch eine große Zahl junger Pilger aus den östlichen Nachbarländern Polens erwartet.
Markus Nowak
ENDE
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