Rumänien

Chefspion übernimmt Regierung

Eigentlich kam das Winterchaos Rumäniens Machthabern zur Hilfe: Schon in der vergangenen Woche beendeten Eiseskälte und meterhoher Schnee die seit Mitte Januar andauernden Sozialproteste, nur noch wenige Standhafte trieb es in einigen Großstädten auf die Straße. Doch die Stimmung in der Bevölkerung ist explosiv: Die Wut über die drastische Sparpolitik, über den autoritären Politikstil des Staatspräsidenten Traian Basescu, über Korruption und Klientelismus wird immer größer.

Den Regierenden ist diese Stimmung offenbar nicht verborgen geblieben. Basescu und seine regierende Liberaldemokratische Partei (PDL) rutschen in Umfragen derzeit auf ein Rekordtief, bei den Parlamentswahlen im November droht der PDL ein vernichtende Wahlniederlage.

Um diese abzuwenden und die Situation zu entspannen, plante Basescu daher offenbar schon seit längerem, den unbeliebten Regierungschef Emil Boc auszuwechseln. Am Montag trat dieser dann auch zurück, wie immer gehorsam gegenüber dem Staatschef. Nur Stunden später verkündete Basescu den Namen des Nachfolgers: Mihai Razvan Ungureanu, Chef des Auslandsgeheimdienstes SIE.

Ein Spionagechef soll es nun also in Rumänien richten. Die Öffentlichkeit im Land reagierte verhalten bis skeptisch. Von einem „einfachen Boc-Update“ sprach die Zeitung „Gandul“, das Blatt „Romania libera“ titelte gar: „Der heuchlerische Regierungswechsel“. An einen grundlegend anderen Politikstil glaubt kaum ein Beobachter. Das Kabinett Ungureanu sei lediglich eine „Interimsregierung bis zu den Wahlen“, meint etwa der Soziologe Mircea Kivu.

Dabei weiß sich der designierte Regierungschef Ungureanu durchaus den Anschein eines Erneuerers zu geben. Der 43jährige stammt aus der nordostrumänischen Metropole Iasi (Jassy), ist hochgebildet und spricht fließend Englisch, Französisch und Deutsch. Vor allem aber war er schon immer karrierebewusst. Als junger Student, kurz vor dem Sturz des Diktators Ceausescu, brachte er es bis zum Kandidaten im Zentralkomitee des kommunistischen Jugendverbandes UTC. Von 1988 bis 1992 studierte er Geschichte, wurde dann Karrierediplomat und 2004 immerhin Außenminister Rumäniens. 2007 musste er zurücktreten, weil dem damaligen Regierungschef Tariceanu seine allzu große Nähe zum Staatspräsidenten Traian Basescu missfiel. Der machte ihn nach dem Rücktritt als Außenminister zum Chef der Auslandsspionage.

Ungureanu genießt in Rumänien ein vergleichsweise gutes Ansehen, er gilt als korrekt und nicht korrupt. Allerdings sehen viele in ihm vor allem einen loyalen Mann des Staatspräsidenten, den dieser nun dazu benutzt, um sein eigenes Image aufzupolieren. Eine wirkliche Erneuerung erwartet kaum jemand von Ungureanu.

Doch genau die wünschen sich die meisten Rumänen, dafür sind viele in den letzten Wochen auf die Straße gegangen. Es geht nicht nur um ein Ende der drastischen Sparpolitik, eine große Mehrheit der Bevölkerung hat auch genug vom „System Basescu“. Obwohl die Verfassung dem Staatspräsidenten eher beschränkte Vollmachten gibt, ist es seit langem faktisch Traian Basescu, der das Land lenkt und regiert, und das zunehmend ungenierter und willkürlicher. Und obwohl Basescu vor sieben Jahren mit dem Versprechen angetreten war, saubere politische Verhältnisse in Rumänien zu schaffen, haben sich Korruption und Vertternwirtschaft ebenso ausgebreitet wie unter Basescus Vorgängern.

Die Ernennung Ungureanus zum Ministerpräsidenten sieht der Politologe Cristioan Parvulescu deshalb nur als „weiteren Schritt zur Präsidentialisierung Rumäniens“. „Dass ein ehemaliger Funktionär des kommunistischen Jugendverbandes und jetziger Geheimdienstchef nun eine Regierung führen soll“, so Parvulescu, „zeigt das Niveau der Demokratie in unserem Land.“


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