Tschechien

Schwarzenberg mischt wieder mit

(n-ost) – Für Sonntagabend hatte Karl Fürst Schwarzenberg im feinen Prager Cafe Imperial einen größeren Tisch reservieren lassen. Er wollte dort mit den anderen tschechischen Parteichefs die offizielle Gründung seiner konservativen, pro-europäischen Partei TOP 09 feiern. Doch die Eingeladenen lehnten in ihrer großen Mehrheit dankend ab. Nur der liberal-konservative Chef der Demokratischen Bürgerpartei ODS, Mirek Topolanek, erschien.

„Nichts demonstriert die derzeitige Stellung von TOP 09 in der tschechischen politischen Szene besser als diese Geschichte“, kommentierte die auflagenstärkste Prager Zeitung Mlada fronta Dnes am Montag diesen Vorgang. „Die Existenz von TOP 09 (TOP steht für Tradition, Verantwortung und Wohlstand) schmeckt den politischen Konkurrenten überhaupt nicht.“ Sie alle müssen Schwarzenberg fürchten. Die ODS bekommt einen Widersacher um die Wählergunst, der sich von ihr vor allem durch die klar europäische Ausrichtung unterscheidet. Die Christdemokraten von der KDU-CSL, aus deren Reihen viele der TOP 09-Gründer kommen, ahnen, dass es für sie bei den nächsten Wahlen im kommenden Frühjahr jetzt sehr schwer werden wird, überhaupt noch die 5-Prozent-Hürde zu überwinden. Die Grünen, die Schwarzenberg einst als Außenminister für das Kabinett Topolanek nominierten, dümpeln eh unter dieser Marke herum. Und die Sozialdemokraten rechnen damit, dass TOP 09 das konservative Lager in Tschechien weiter stärken wird – zu ihren Ungunsten.

Glaubt man den Umfragen unter den Wählern, dann würde TOP 09 bei Wahlen derzeit rund 15 Prozent bekommen. Damit müssten die ungewendeten Kommunisten um ihren gewohnten dritten Platz im tschechischen Parteienspektrum fürchten. Der Erfolg der Partei hat vor allem einen Namen: den des Vorsitzenden Karl Fürst Schwarzenberg. Er ist seit langem der beliebteste tschechische Politiker. Die führende slowakische Tageszeitung Sme nannte ihn am Montag gar den „tschechischen Obama“. Auf sein Erscheinen hätten die von der Politik tief frustrierten Tschechen gewartet wie auf das eines Messias. Schwarzenberg habe sich zu Recht deutlicher Worte bei der Zustandsbeschreibung der Prager Politszene bedient. Die Politiker seien „feige und verantwortungslos, betrachteten die Politik lediglich als einen Weg, an Macht zu kommen“.

Man könnte einwenden, dass Schwarzenberg selbst unter diesen Politikern gewirkt habe. Doch die Tschechen rechnen ihm hoch an, dass er sich im Gegensatz zu den meisten seiner Konkurrenten nie die Hände schmutzig gemacht hat. Dagegen erinnern sich viele Tschechen bis heute, dass der mittlerweile 72-jährige altböhmische Adlige in der Zeit des Kommunismus aus dem Exil in Österreich heraus die tschechischen Dissidenten unterstützt hat. Dies und seine Offenheit und Gewandtheit als Weltbürger waren gewichtige Gründe dafür, dass Präsident Vaclav Havel den Fürsten nach der Samtenen Revolution an die Moldau geholt und zu seinem Kanzleichef auf der Prager Burg gemacht hatte.

Havels Nachfolger Vaclav Klaus war es anfangs gar nicht recht, dass Schwarzenberg unter Topolanek Außenminister werden sollte. Der Fürst, dem Klaus fälschlicherweise die österreichische Staatsbürgerschaft andichtete, habe zu lange in Wien gelebt, um tschechische nationale Interessen durchsetzen zu können. Klaus hat dieses Urteil sehr schnell revidiert. Auch, weil Schwarzenberg immer loyal gegenüber Klaus war, selbst wenn er sich beispielsweise von der Verweigerungshaltung des Präsidenten gegenüber dem EU-Reformvertrag von Lissabon enttäuscht zeigte.

Inwieweit der Name Schwarzenberg hilft, bei den Wählern tatsächlich zu punkten, muss aber erst noch abgewartet werden. Zahlreiche Punkte des Parteiprogramms klingen nämlich nicht  verlockend. TOP 09 strebt beispielsweise eine Revolution im notorisch kränkelnden tschechischen Gesundheitswesen an. Viele Behandlungen und selbst kleinere Operationen sollen danach künftig von den Patienten selbst bezahlt werden. Das würde die Selbstbeteiligung von jetzt 16 auf bis zu 25 Prozent steigen lassen. Die ODS war mit weitaus harmloseren Vorhaben bei den Wählern gescheitert. Steuererleichterungen soll es mit der Partei nicht geben. Dagegen soll der klamme Staatshaushalt jedes Jahr gesünder werden, um 2015 den Euro in Tschechien einführen zu können.

Schwarzenberg selbst weiß, dass vieles von dem, was die Partei plant, auf Widerspruch stoßen wird. „Wir sagen den Leuten offen, was wir wollen, und ich rechne nicht damit, dass wir deshalb eine besonders populäre Partei werden. Wir sind wohl eher eine Partei für eine Minderheit der Vernünftigen“, sagte er nach dem Parteitag. Seine Rolle als Parteivorsitzender komme ihm momentan noch etwas „seltsam“ vor, weil er nach solchen Posten niemals gestrebt habe. Er fühle sich ein bisschen „wie ein Vegetarier, der einen Fleischerladen geerbt hat“.

Hans-Jörg Schmidt
ENDE

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