Danzig im Grass-Fieber
(n-ost) – 50 Jahre nach Erscheinen des Romans „Die Blechtrommel“ von Günter Grass ist in Danzig eine regelrechte Grassomanie ausgebrochen: Diskussionen, Ausstellungen und Lesungen erinnern an den berühmten deutschen Schriftsteller, der in der Stadt an der polnischen Ostseeküste geboren wurde. Höhepunkt war die Eröffnung einer Grass-Galerie samt Museum im Oktober.
Den Aufbau einer nach ihm benannten Galerie hat der Geehrte höchstselbst unterstützt und einige seiner Zeichnungen gestiftet. Günter Grass findet Gefallen daran, dass seine Werke und die polnischer Künstler gemeinsam in Danzig ausgestellt werden. „So etwas gibt es auch in Lübeck, wo ich jetzt wohne. Dort finden Wechselausstellungen anderer Schriftsteller statt, die wie ich gleichzeitig geschrieben und gezeichnet haben. So etwas könnte man auch hier in Danzig machen.“ Bereits jetzt stellen junge polnische Künstler zeitgleich mit Grass in der Galerie aus. Der Schriftsteller freut sich, dass es dabei „zu einer gewissen Korrespondenz kommt“.
Das Danziger Grass-Museum liegt im Herzen der Altstadt. Iwona Bigos, eine zierliche Frau mit braunem Haar, führt die Besucher stolz durch die mehr als 350 Quadratmeter große Ausstellung. Ihre Erfahrungen hat die junge Frau in deutschen Galerien gesammelt. Heute ist sie Chefin des Danziger Grass-Museums. Es besteht aus einem einzigen weitläufigen Raum, in dem in Zukunft auch Workshops veranstaltet werden sollen.
Galeriechefin Iwona Bigos. Foto: Marek Frankowski
„Wir haben eine ständige Ausstellung mit Kunstwerken von Grass“, erklärt die Galerie- und Museumschefin. Auch Grass-Bücher gehören dazu. Derzeit sind die meisten Grafiken und Skulpturen im Grass-Museum noch Leihgaben des Danziger Nationalmuseums. „Die Sammlung ist ausbaufähig“, sagt Bigos, „wir wollen sie mithilfe unserer Kontakte ins Ausland erweitern“. Grass selbst hat dazu mit der Stiftung seiner Zeichnungen einen ersten Schritt getan.
So gut wie jetzt waren die Verhältnisse zwischen dem Schriftsteller und seiner Heimatstadt nicht immer. Als Grass vor mehr als drei Jahren seine Mitgliedschaft in der Waffen-SS enthüllte, wurde er in Polen heftig kritisiert. Ex-Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Walesa plädierte damals sogar dafür, Günter Grass die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.
Inzwischen sind diese Wunden jedoch verheilt. Bester Beweis dafür waren die zahlreichen Menschen, die Grass bei der Eröffnung der Galerie in Danzig zujubelten. „Das ist ein sehr wichtiger Tag für unsere Stadt“, sagte etwa Anna Kazimierczyk, eine Germanistikstudentin aus Danzig. Sie und ihre Freundinnen haben fast alle Bücher von Grass gelesen und sind treue Fans des deutschen Schriftstellers.
Kein Zweifel: Danzig ist eine Grass-Stadt. Der Künstler ist auf vielfältige Weise im öffentlichen Leben präsent. Die Günter-Grass-Gesellschaft, die größte Institution, die sich mit dem Schriftsteller beschäftigt, hat mehr als 100 Mitglieder. Dazu gehört auch Andrzej Fac, dessen inzwischen verstorbener Vater mehr als 30 Jahre lang Grass-Termine in Danzig organisierte.
Andrzej Fac war ein kleiner Junge, als Günter Grass bei seinen Eltern zu Gast war. „In diesem Haus ist Günter Grass allgegenwärtig. Er ist mehrmals hier gewesen“. Das Haus, das Andrzejs Mutter gehört, liegt in der Lelewela-Straße, unweit vom Geburtshaus des Schriftstellers. „Meine Eltern waren seit Anfang der 60er Jahre mit Günter Grass befreundet“, sagt Andrzej.
Günter Grass bei der Eröffnung der Galerie in Danzig. Foto: Jerzy Pinkas
Zahllose Grass-Grafiken an den Wänden erinnern noch heute daran. Andrzejs Mutter, Maria Fac, erinnert sich gut an die zahlreichen Treffen mit Grass: „Er hat ein unheimliches Temperament“, sagt sie. „Und er kann ausgezeichnet tanzen. Wir haben urige Restaurants besucht – und überall haben wir getanzt. Wenn Grass dabei war, war er immer der erste Tänzer auf dem Parkett.“
In Danzig hat man mit Grass jedoch nicht nur gefeiert sondern auch von ihm gelernt. Davon ist der deutsche Schriftsteller überzeugt. „Viele Polen haben mir erzählt, dass sie mithilfe meiner Bücher, und damit meine ich nicht nur 'Die Blechtrommel', die Vorgeschichte ihrer Stadt kennengelernt haben, also die Zeit, als hier noch die Deutschen lebten und Danzig eine Freistadt war. All das spiegelt sich sich in meinen Büchern wieder und so bekommt die Stadt einen ganz anderen Hintergrund für sie.“
Katarzyna Tuszynska
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