Polen

Gegen Rassismus im Fußballstadion

(n-ost) – Er wurde von Fans seiner eigenen Mannschaft attackiert, sagt Pape Samba Ba. Der Mittelfeldspieler aus dem Senegal ist in der vergangenen Saison auf dem Weg zum Training des Erstligisten Odra Opole (Oppeln) von unbekannten Männer angegriffen worden. Er konnte sich verteidigen und kam mit einem blauen Auge davon. Die Polizei nahm die Täter fest. Einer von ihnen hatte wenige Wochen zuvor schon einmal den Fußballprofi niedergeschlagen. „Polen hat mit Rassismus im Fußball ein Problem“, sagt Pape Samba Ba. Er meint damit nicht nur Übergriffe auf der Straße, sondern auch verbale Beleidigungen. An die „Affen“-Rufe und andere rassistische Beleidigungen, sogar an den Bananenhagel, hat er sich in der polnischen Extra-Liga schon gewöhnt.

Pape Samba Ba kann sich eine ähnliche Stimmung während der Europameisterschaften überhaupt nicht vorstellen. Auch die UEFA zeigt sich wegen des Rassismus in polnischen Stadien besorgt. Die Zentrale in Genf will in Zusammenarbeit mit den polnischen und ukrainischen Fußball-Behörden (PZPN) in drei Jahren die rassistisch motivierten Vorfälle und Straftaten im Fußball eliminieren. Dieses Ziel soll in Zusammenarbeit mit der antifaschistischen Vereinigung „Nigdy Wiecej“ („Nie wieder“) umgesetzt werden. Die Antifa-Aktivisten – offizielle UEFA-Partner – koordinieren die Zusammenarbeit im „Zentrum für Rassismus-Überwachung in Osteuropa“. „Wir haben eine Menge Arbeit vor uns“, sagt Jacek Purski, Koordinator im Beobachtungszentrum. „Rassismus im Fußball ist ein sehr großes Problem. Polen hebt sich dabei negativ von anderen EU- Ländern ab.“

Deshalb versuchen die Aktivisten von „Nigdy Wiecej“, alle Vorfälle im „Braunen Buch“ zu registrieren.  Fast jede Woche kämen neue Eintragungen hinzu: Laut „Nigdy Wiecej“ handelt es sich dabei um das Aufhängen von Transparenten und Fahnen mit fremdenfeindlichen Inhalten, um beleidigende Rufe und Gewaltattacken wie Bananenwürfe. Die Übergriffe werden meist von gewaltbereiten Neonazi-Gruppen provoziert. Auch Fußballer beteiligen sich nicht selten an rassistischen Hetzen.

Der polnische Fußball-Verband will nun und mit „Nigdy Wiecej“ eng zusammenarbeiten. „Wir haben verschlafen“, gibt ein PZPN-Sprecher zu. Mit Hilfe von Antifa organisierte der Verband Veranstaltungen, Info-Kampagnen, Bildungsaktionen. Die UEFA-Regel „Zero tolerance“ gelte auch in polnischen Stadien. Die Klubs wurden aufgerufen, rassistisch motivierte Vorfälle sofort zu bestrafen. Nur wenige kamen dem Aufruf nach.

Als in südpolnischen Kielce Fans rassistische Parolen gegen schwarze Spieler skandierten, konnten die Täter identifiziert, dem Staatsanwalt vorgeführt und mit einem lebenslangen Stadionverbot belegt werden. Nachdem Ende 2007 eine Gruppe von Skinheads in Danzig „Rudolf Hess“ skandiert und Bananen gegen schwarze Spieler geschleudert hatte, konnte das Gericht nur einen Täter identifizieren und zu zwei Jahre Haft auf Bewährung verurteilen. Für einen Banner, der einen eingebürgerten Nationalspieler aus Brasilien beleidigte, musste die Mannschaft lediglich rund 4.000 Euro Strafe zahlen und eine Partie ohne Publikum spielen. Diese Art von Ahndung sind jedoch nur Einzelfälle. „Die überwiegende Mehrheit der Mannschaften spielt das Problem herunter oder sieht gar keins“, sagt Purski.

Fehlt es an Schwarzen, werden Juden zum Ziel der Attacken. „Antisemitismus ist Bestandteil der polnischen Stadien-Kultur“, sagt Marcin Kornak, Chef von „Nigdy Wiecej“. Auf judenfeindliche Exzesse folge in Polen meist keine Reaktion. Nach einem Spiel in Krakau riefen die Fußballer des polnischen Fußballmeisters Wisla zusammen mit den Fans etwas über „Scheißjuden“, die in einen Ofen fahren. Die Polizei übergab die Videoaufnahmen der Staatsanwaltschaft. Weil sich das Lied „nicht an Juden, sondern an Mitglieder anderer Mannschaften“ richtete, wurden die Ermittlungen aufgegeben. Im polnischen Liga-Vokabular wird das Wort „Jude“ als Schimpfwort verwendet. Vor gut einem Jahr zog ein Fußballer von LKS Lodz ein Trikot an mit einer Aufschrift, die zum Mord an „Juden“ aufrief. Es ging um die verfeindete Mannschaft Widzew Lodz. Nach drei Wochen Straf- Pause spielte der antisemitische Fußballer wieder mit.

In der Ukraine ist die Atmosphäre nicht besser. Die beiden Austragungsländer müssen vor der EM 2012 um eine bessere Stimmung sorgen. Pape Samba Ba bleibt skeptisch. Purski glaubt, die Organisatoren hätten keine andere Wahl und müssen Rassismus aus Fußball-Stadien raustreten.

Marcin Rogoziński
ENDE

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