Bosnien-Herzegowina

Das Land der drei Präsidenten

Das Jahr 2012 soll für den Balkan ein Jahr des Aufbruchs werden. Dabei gerät Bosnien-Herzegowina immer stärker unter Zugzwang. Denn während sich Kroatien auf dem letzten Abschnitt vor dem für Juli 2013 vorgesehenen Beitritt zur Europäischen Union befindet, und Serbien sich Hoffnung machen kann, im März den EU-Kandidatenstatus zu bekommen, nähert sich Bosnien der EU nur mühsam an. Das multiethnische Land ist noch immer gefangen in seinem Konflikt zwischen den Volksgruppen der Bosniaken (Muslime), Serben und Kroaten.

Wie heikel in Bosnien ethnische und politische Fragen verquickt sind, zeigt sich allein an der dreiköpfigen Präsidentschaft Bosnien-Herzegowinas. Diese besteht aus drei Staatsoberhäuptern: dem Bosniaken Bakir Izetbegovic, dem ethnischen Serben Nebojsa Radmanovic und dem ethnischen Kroaten Zeljko Komsic. Vor wenigen Tagen trafen sie sich im Jahorina-Gebirge mit Serbiens Präsident Boris Tadic und Kroatiens Präsident Ivo Josipovic.

Durch die engen Beziehungen haben Serbien und Kroatien großen Einfluss auf die Vertreter ihrer Volksgruppen. So spielt das Verhältnis zu den beiden Nachbarländern Kroatien und Serbien eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung Bosnien-Herzegowinas. Im Kampf gegen organisierte Kriminalität und im Bemühen um EU-Gelder einigten sich die drei Länder nun darauf, enger zusammenarbeiten, um so ihre Wirtschaft in Schwung zu bringen. Bei anderen Fragen wie etwa dem Umgang mit Kriegsverbrechern gab es dagegen keine Annäherung.

Das liegt auch daran, dass Bosnien nicht mit einer Sprache spricht. Die im Land lebenden Bosniaken, Serben und Kroaten sind sich selten einig. So wurde um den Posten des Regierungschefs zwischen den Parteien weit über ein Jahr zäh gerungen. Seit Januar hat Bosnien mit Vjekoslav Bevanda wieder einen Ministerpräsidenten, der zum ersten Mal aus der kroatischen Volksgruppe kommt. „Ein guter Kompromisskandidat“, findet Sabina Wölkner, die in Sarajevo das Büro der Konrad-Adenauer-Stiftung leitet. Bevanda habe als Finanzminister in der Föderation – einer der beiden Entitäten – einen guten Ruf genossen und gezeigt, dass er Interesse habe, parteiübergreifend zu arbeiten.

Doch die neue bosnische Regierung bleibt schwach. Das liegt an der Verfassung des Landes, die nach dem Ende des Bosnien-Krieges 1995 den beiden Entitäten große Eigenständigkeit einräumte. Die fast ausschließlich von Serben bewohnte Republika Srpska wehrt sich gegen Verfassungsänderungen, die ihre Autonomie beschneiden könnten. Selbst eine komplette Loslösung von Bosnien hat in der Republika Srpska viele Sympathien.

Und auch in der Föderation von Bosniaken und Muslimen rumort es: Die Kroaten als kleinste Volksgruppe fühlen sich von der Mehrheit der muslimischen Bosniaken benachteiligt, einige Politiker verlangen deshalb nach einer eigenen Entität. Die Bosniaken wiederum wollen einen stärkeren Gesamtstaat, der der ungeliebten Republika Srpska Befugnisse entzieht.

Für Brisanz dürften die Ergebnisse der in diesem Jahr geplanten Volkszählung sorgen, der ersten seit 1991. Sie wird für die deutlich sichtbare ethnische Trennung in Folge des Bosnien-Krieges offizielle Zahlen liefern. Mord, Flucht und Vertreibung haben ihre Spuren hinterlassen. Im Bosnien-Krieg 1992-1995 kämpften mit Rückendeckung Belgrads bosnische Serben und mit Rückendeckung Zagrebs zeitweise auch bosnische Kroaten gegen die Regierung in Sarajevo, in der muslimische Bosniaken dominierten. Diese stellen heute rund die Hälfte der Bevölkerung in Bosnien, dazu kommen gut 30% Serben und 15% Kroaten.

Sabina Wölkner von der Konrad-Adenauer-Stiftung hofft, dass Bosnien bis Ende des Jahres alle notwendigen Gesetze verabschiedet, um bei der EU einen Antrag auf den Kandidatenstatus stellen zu können. „Das wäre ein Zeichen dafür, dass man unter diesen schwierigen Bedingungen auch mit kleinen Schritten Erfolge haben kann.“

Wie wichtig Kroatien und Serbien für Bosnien sind, zeigte sich am vergangenen Wochenende auch abseits des Verhandlungstisches: Während in Sarajevo aufgrund der heftigen Schneefälle der Verkehr und das öffentliche Leben fast komplett zum Erliegen kamen, waren im Jahorina-Gebirge unzählige Räumfahrzeuge stundenlang damit beschäftigt, den Präsidenten die blockierte Straße zum Flughafen freizumachen.


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