Rumänien

Machtpokter um neue Regierung

(n-ost) – Der designierte Regierungschef von Rumänien ist derzeit der Finanzexperte Lucian Croitoru. Er wurde von Präsident Traian Basescu vergangenen Donnerstag eingesetzt. Ob sein in den nächsten Tagen zusammengestelltes Kabinett jedoch regieren darf, entscheidet das rumänische Parlament. Dort verfügt derzeit die Opposition über die meisten Mandate. Die aber fordert weiterhin, das der deutschstämmige Bürgermeister von Sibiu, Klaus Johannis, den Premierposten erhält. Der steht für den Posten auch weiterhin zur Verfügung, sagte Johannis im n-ost-Interview.

Frage: War es eine Niederlage für Sie, dass Sie nicht als Regierungschef von Rumänien nominiert wurden?

Klaus Johannis: Nein auf keinen Fall. Warum sollte ich das Niederlage ansehen? Dass ich als Kandidat von der Opposition ausgewählt wurde, betrachte ich als persönlichen Erfolg für mich. Dass der Präsident anderer Meinung ist als die Opposition, die die Mehrheit im rumänischen Parlament bildet, muss man als Tatsache hinnehmen. Er hat sich für Lucian Croitoru entschieden.

Frage: Der designierte rumänische Regierungschef Lucian Croitoru stellt gerade sein Kabinett zusammen, das erst regierungsfähig ist, wenn es vom Parlament bestätigt wird. Die Opposition hat bereits erklärt, die neue Regierung abzulehnen. Was erwarten Sie?

Johannis: Die neue Regierung wird höchstwahrscheinlich im Parlament durchfallen. Dann wird es neue Verhandlungen geben müssen.

Frage: Wollen Sie denn dann weiterhin Premier von Rumänien werden?

Johannis: Ich stehe als Kandidat weiter zur Verfügung. Ebenso halten die Oppositionsparteien  derzeit an ihrem Vorschlag fest, dass ich zum Regierungschef berufen werde. Es ist das erste Mal im Nachwende-Rumänien, dass sich mehrere politische Parteien auf einen gemeinsamen unabhängigen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs geeinigt haben. Dieses Novum hat mich überzeugt, mich auf dieses Projekt einzulassen.

Frage: Das Vorschlagsrecht für den neuen Regierungschef hat aber der rumänische Präsident Traian Basescu. Er argumentierte, dass Rumänien in Krisenzeiten einen Wirtschaftsexperten als Regierungschef brauche, der angesichts der neuen Tranchen des Internationalen Währungsfonds auch dessen Sprache spreche. Halten Sie das für eine richtige Strategie des Präsidenten?

Johannis: Ich halte es für eine falsche Strategie. Der Ansprechpartner für die internationalen Finanzgremien ist der Finanzminister, nicht der Regierungschef. Ein Premier hat hingegen dafür zu sorgen, die gesamte Regierung am Laufen zu halten, Differenzen auszugleichen, diplomatisch für den größten gemeinsamen Nenner zu sorgen. Der designierte Regierungschef Lucian Croitoru, der zuvor ein ranghoher Finanzexperte der Rumänischen Zentralbank war, wäre ein guter Finanzminister. Zugleich ist Croitoru nicht nur apolitisch, sondern unpolitisch. Er ist aus einer ganz anderen Branche jetzt rein zufällig in die politische Welt geraten. Das ist eine komplizierte Ausgangslage für ihn, nun als designierter Regierungschef von Rumänien zu agieren.

Frage: Ihnen war in der Vergangenheit das Amt eines Ministers angeboten worden. Damit wären Sie bereits von der Lokalpolitik in die Landespolitik aufgestiegen. Sie haben – anders als bei der Kandidatur zum Premier – damals jedoch abgelehnt.

Johannis: Das stimmt. Präsident Basescu hatte mir im Dezember 2004 angeboten, ein Ministerium zu übernehmen. Das habe ich damals aus gutem Grund abgelehnt. Sibiu war kurz zuvor mit Luxemburg als Europäische Kulturhauptstadt für das Jahr 2007 ausgewählt worden. Dieses Projekt war mir so wichtig, dass mich alles andere nicht interessiert hat.

Frage: Das klingt so, als hätte Sie jetzt keine spannenden Aufgaben mehr in Hermannstadt und könnten deshalb Premier werden.

Johannis: Das Projekt einer Europäischen Kulturhauptstadt ist für einen Bürgermeister und für eine Stadt einmalig und schwer zu toppen.

Frage: Rumänien steckt seit Monaten neben einer wirtschaftlichen auch in einer politischen Krise. Was hat Ihrer Meinung nach zu dieser politischen Instabilität geführt?

Johannis: Es ist nach den Parlamentswahlen im Herbst 2008 eine Große Koalition aus Sozialdemokraten und Liberaldemokraten entstanden, aus zwei Parteien, die definitiv nicht zusammenpassen. Der Bruch der Großen Koalition Anfang Oktober ist letztlich nur der Beweis dafür. Als politisch instabil würde ich Rumänien derzeit nicht bezeichnen. Alles, was in den vergangenen Monaten politisch passiert ist, sei es der monatelang Streit innerhalb der Großen Koalition, dann ihr Bruch und schließlich der Sturz der Interimsregierung, ist legitim und verfassungskonform.

Frage: Welcher Weg könnte aus der Krise führen?

Johannis: Die Krise kann überwunden werden – zunächst durch die Präsidentenwahl im November. Vielleicht folgen, wenn man sich nicht auf eine neue Regierung einigen kann, Neuwahlen fürs Parlament, um eine stabile Mehrheit zu finden. Nachteil ist, dass die Lösung der politischen Krise zeitraubend ist, es werden wohl noch Monate dafür vergehen. Das beflügelt mit Sicherheit keinen neuen wirtschaftlichen Aufschwung in Rumänien.

Frage: Die rumänischen Medien haben Sie als idealen Kandidaten beschrieben und immer wieder darauf verwiesen, dass Sie nicht nur der erfolgreichste Bürgermeister des Landes seien, sondern auch deutsche Tugenden hätten: Sie seien pünktlich, seriös, beständig. Was halten Sie von dieser Beschreibung?

Johannis: Ich fühle mich natürlich geschmeichelt. Doch ich hüte mich davor, das Klischee vom guten Deutschen selbst zu verwenden. Solche ethnischen Zuweisungen helfen uns in der Politik nicht weiter.

Frage: Wenn die Medien die so genannten deutschen Tugenden so hervorheben, scheint es, als ob sie der rumänischen Klasse fehlen würden. Stimmt das?

Johannis: Nein, das denke ich nicht. Das ist vielmehr der verzweifelten Suche nach guten Politikern, guten Managern, gutem Personal geschuldet, die es übrigens weltweit gibt. Jeder wünscht sich Menschen in Schlüsselpositionen, die pünktlich sind, seriös und gut ausgebildet. Da bildet die Politik keine Ausnahme.

Frage: Sie haben mit dem Amt als Regierungschef geliebäugelt und bleiben nun weiterhin Bürgermeister von Sibiu, einer Stadt, die Sie erfolgreich in den vergangenen Jahren aufgebaut haben. Genügt Ihnen denn dieses Amt jetzt noch?

Johannis: Natürlich. Ich bin schließlich stolz, dass ich Bürgermeister von Sibiu bin. Das Amt des Premiers wäre für mich nicht wertvoller als der Bürgermeisterposten. Es gibt nur einen entscheidenden Unterschied: Der Bürgermeister wird von den Wählern direkt gewählt, über den Regierungschef entscheiden letztlich die politischen Parteien.

Frage: Wie haben denn die Einwohner von Sibiu auf Sie in den vergangenen Tagen reagiert?

Johannis: Die Leute haben mich angesprochen, mir E-Mails und SMS geschrieben, und mich teils darin bestärkt, Premier zu werden, teils erklärt, ich solle den Bürgermeisterposten nicht aufgeben. Dass so viele Anteil an dieser Entscheidung nehmen, hat mich beeindruckt.

Frage: Ist es ein Trostpflaster für Sie, dass Sie den Posten des Regierungschefs in der ersten Runde nicht bekommen haben?

Johannis: Also, ein Trostpflaster brauche ich zu dieser Stunde noch keines.


Hintergrund:

Bei der Ernennung der neuen Regierung in Rumänien geht es derzeit um einen Machtpoker zwischen dem rumänischen Traian Basescu, der indirekt von den Liberaldemokraten (PD-L) unterstützt wird, und der Opposition im Parlament. Beide Seiten ringen derzeit darum, die bessere Figur im Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl im November zu machen.

Die Opposition hatte vorige Woche gemeinschaftlich den parteilosen und deutschstämmigen Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), Klaus Johannis, als Kandidaten für den Premierposten vorgeschlagen. Das Vorschlagsrecht aber obliegt laut rumänischer Verfassung dem Präsidenten, in diesem Fall Traian Basescu. Der entschied sich lieber für Lucian Croitoru, einem ranghohen und parteilosen Finanzexperten der Rumänischen Zentralbank (BNR). Doch Croitoru hat kaum Chancen, dass sein Kabinett vom Parlament bestätigt wird, denn dort hat sich seit Anfang Oktober das Machtgefüge völlig verschoben.

Nach dem Bruch der Großen Koalition aus Liberaldemokraten (PD-L) und den Sozialdemokraten (PSD) haben letztere der Oppositionsgruppe im Parlament zu einer Mehrheit der Mandate verholfen. Sie kann gegen jede Aktion des Präsidenten votieren. Fällt Croitorus Kabinett im Parlament durch, ernennt der Präsident erneut einen Regierungschef. Ist das Votum wieder negativ, kann der Präsident das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen.

Der zweite Ernennungsversuch könnte Klaus Johannis noch einmal für den Premierposten ins Spiel bringen. Johannis ist seit dem Jahr 2000 Bürgermeister von Sibiu. Die erfolgreiche Bewerbung der Stadt als Europäische Kulturhauptstadt nutzte er 2007, um die heruntergekommene Altstadt zu sanieren. Zugleich lockte er durch den Ausbau der Infrastruktur zahlreiche Investoren ins rund 160.000 Einwohner zählende Sibiu.

Annett Müller
ENDE

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