Gibt es bald einen rumäniendeutschen Premierminister?
(n-ost) – „Hermannstädter, seid nicht egoistisch, wir wollen uns auch über euren Bürgermeister freuen“, bittet ein Bukarester. Denn seit dem Sturz der rumänischen Regierung unter der Leitung von Emil Boc wird verzweifelt nach einem neuen Premierminister gesucht. Während die Liberaldemokraten noch Zeit brauchen, haben sich die Oppositionsparteien auf einen Kandidaten geeinigt: den Bürgermeister der Stadt Hermannstadt/Sibiu, Klaus Johannis.
Klaus Johannis ist der einzige Vorschlag, den die Oppositionsparteien – inklusive die Gruppe der Vertreter der nationalen Minderheiten – Präsident Traian Basescu machen werden. Und alles zur Freude und Verzweiflung der Hermannstädter, die zwar stolz auf ihren Bürgermeister sind, ihn aber nicht verlieren wollen. Vier Fünftel der Hermannstädter haben Johannis gewählt. Als Visitenkarte bringt er nicht nur seine Erfahrungen mit der Europäischen Kulturhaupstadt 2007 mit, sondern auch das positive Image der Vertreter der deutschen Minderheit in Rumänien, sie seien tüchtig, korrekt und pünktlich.
Die politische Krise in Rumänien hatte sich verschärft, als der sozialdemokratische Innenminister vom Premierminister aus der Regierung entlassen wurde. Dadurch zerbrach die Regierungskoalition zwischen den Liberaldemokraten (PDL) und den Sozialdemokraten (PSD), letztere wechselten in die Opposition. Die PSD-Minister zogen sich zurück, die neun Posten wurden an die PDL-Minister verteilt. Gestürzt wurde die neue Regierung kurz danach durch ein Misstrauensvotum.
Der Chef der Liberalen Crin Antonescu (links) hat Johannis als Premierminister vorgeschlagen. Foto: Sebastian Marcovici
Schon einen Tag darauf einigten sich die Oppositionsparteien auf eine Technokraten-Regierung, an ihrer Spitze Klaus Johannis, der der deutschen Minderheit angehört. „Wir haben einen einzigen Vorschlag und bestehen darauf. Johannis ist die perfekte Lösung“, erklärte der Leiter der Nationalliberalen, Crin Antonescu, der auch den Hermannstädter Bürgermeister vorgeschlagen hatte. „65 Prozent der Parlamentarier sind mit dieser Wahl einverstanden, da hat der Präsident keine andere Wahl, als ihn zu ernennen.“
Während man in Bukarest fleißig verhandelte, waren die Meinungen der Hermannstädter sehr gespalten. „Ich freue mich, dass er nach Bukarest fährt, da kann er endlich auch das Problem der Umgehungsstraße Hermannstadts lösen“, erklärte gestern ein junger Mann, „und wenn er zurück kommt, ist sein Posten ja gesichert, die Hermannstädter wählen ihn bestimmt noch einmal.“ Klaus Johannis gehört zwar der deutschen Minderheit an (in Hermannstadt mit 1,6 Prozent vertreten), wurde aber von der rumänischen Mehrheit zum dritten Mal mit mehr als 80 Prozent der Stimmen gewählt.
„Er soll lieber hier bleiben, und das machen, wofür wir ihn gewählt haben. Er macht hier einen guten Job, Hermannstadt ist europaweit bekannt und das ganze Land ist neidisch, dass wir an unserer Spitze einen Deutschen haben“, sagt eine ältere Frau. Inzwischen mischt sich auch eine junge Frau ins Gespräch: „Er soll nach Bukarest ziehen und die Regierung lehren, was Tüchtigkeit, Fleiß und Pünktlichkeit bedeuten.“ Damit sind allerdings nicht alle Bukarester einverstanden, überraschenderweise wollen sie den Rumäniendeutschen schützen: „Er sollte lieber in Hermannstadt bleiben, in Bukarest fressen ihn die Politiker mit Haut und Haaren“, sagte ein 35-jähriger Journalist.
Klaus Johannis in Hermannstadt. Foto: Sebastian Marcovici
Tatsächlich singt fast die ganze rumänische Presse ein Loblied auf Johannis. Nun aber hat Präsident Traian Basescu alle auf den harten Boden der Tatsachen zurückgebracht: „Ich möchte auf keinen Fall eine Technokratenregierung haben, außerdem soll die Partei mit den meisten Sitzen im Parlament (die Liberaldemokraten) den Premierminister vorschlagen“, erklärte dieser in einer Pressekonferenz einige Stunden, nachdem Johannis erklärt hatte, mit den Parteien zu verhandeln. Es war das erste Mal, dass Klaus Johannis akzeptiert hatte, einen Posten in der Regierung anzunehmen. Selbst Präsident Basescu hatte ihm vor einigen Jahren den Posten des Bildungsministers angeboten. „Ich bin stolz, Johannis überzeugt zu haben, denn bis jetzt hat er alle Angebote aus Bukarest abgeschlagen“, erklärte der Liberale Antonescu.
„Ich möchte nicht, dass er nach Bukarest geht, denn wir brauchen ihn in Hermannstadt“, erklärte ein Rentner aus Hermannstadt. „Wo finden wir einen anderen Sachsen? Ich habe sie schon immer gemocht, denn sie sind zuverlässig und arbeiten gründlich.“ Allgemein herrscht in Rumänien die Meinung, dass die Rumäniendeutschen sehr zuverlässig sind: „Hermannstadt ist fast ein anderes Land im Vergleich zu den anderen Städten Rumäniens“, sagte ein Bukarester. „Ich glaube aber, dass in der rumänischen Politik alle so korrupt sind, dass nicht einmal der aufrichtigste Mann eine Chance hätte, ehrlich zu bleiben. Er sollte lieber da bleiben, wo man sehen kann, was er alles geleistet hat.“
Ob Klaus Johannis eine Chance hat, seine Tüchtigkeit auch in Bukarest unter Beweis zu bringen, ist derzeit noch ungewiss. Johannis selbst zeigte sich am Tag der Verhandlungen eher zurückhaltend und erklärte, Geduld zu haben, bis Basescu seine Wahl trifft. Er sehe alles viel einfacher, sagte er: „Ich habe diese Ehre nicht verlangt, sondern man hat mich eingeladen.“ Wie lange die Parteien brauchen, sich auf einen Kandidaten zu einigen, ist ungewiss, genauso ob Johannis Chancen in den nächsten Tagen wachsen – immerhin wird er von mehr als 60 Prozent der Parlamentarier unterstützt. Rumänien bleibt nichts anderes übrig, als weiterhin nach einem Premierminister zu suchen.
Ruxandra Stanescu
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