PAPST-BESUCH IN EINEM ATHEISTISCHEN LAND
(n-ost) – „Das ganze Leben werde ich mich daran erinnern. Ich zittere immer noch“, beschreibt eine Rentnerin aus dem Böhmerwald ihre Eindrücke, nachdem sie den Papst in Prag gesehen hat. Benedikt XVI. besuchte zum Auftakt seines dreitägigen Aufenthalts in Tschechien das berühmte „Prager Jesulein“, eine kleine Statue aus dem 16. Jahrhundert, in der Kirche zur Siegreichen Jungfrau Maria auf der Prager Kleinseite. Für die weltberühmte Statue, der heilende Kräfte nachgesagt werden, brachte der Papst eine goldene Krone mit. Vor der Kirche wurde er von Tausenden begeistert empfangen. „Ich bin schon am Freitag angereist und habe seit heute morgen um halb sieben vor der Kirche gewartet“, sagte eine Besucherin aus der Slowakei der Presseagentur CTK. „Ich bin glücklich und dankbar.“Es war der erste Besuch von Papst Benedikt XVI. in Tschechien. Sein Vorgänger Johannes Paul II. hatte das Land insgesamt dreimal besucht. Über mangelndes Interesse konnte sich der Papst bei seinem Besuch in Tschechien nicht beklagen. Am Sonntag zelebrierte er eine Open-Air-Messe auf dem Flughafengelände in Brünn, an der 120.000 Menschen teilnahmen, davon ca. 11.000 aus dem Ausland. Auf der Messe in Stara Boleslav wurden über 60.000 Menschen gezählt.Der Nachrichtenkanal des öffentlich-rechtlichen Fernsehens berichtete drei Tage lang fast ununterbrochen über den Papst-Besuch. Und das in einem Land, das als eines der am meisten atheistisch geprägten in Europa gilt. Nur knapp ein Drittel der Bevölkerung ist konfessionell gebunden. Nur rund 27 Prozent der Tschechen sind katholisch. Erklärtes Ziel der Papstreise war denn auch die Stärkung des christlichen Glaubens in Tschechien. So waren die Besuche von Brünn und Stara Boleslav bewusst gewählt. Brünn ist die größte Stadt in Mähren, wo die katholische Kirche die meisten Mitglieder hat und es noch eine lebendige volkskirchliche Tradition gibt. Stara Boleslav ist der älteste Wallfahrtsort in Tschechien. Hier liegt der Nationalheilige Wenzel begraben, der der erste christliche Herrscher in Böhmen war.Ein zentrales Thema des Besuchs war aber auch die Erinnerung an das Ende des Kommunismus vor 20 Jahren. Bei einem Treffen mit Staatspräsident Václav Klaus würdigte der Papst den Mut tschechischer Geistlicher, die sich nicht dem Kommunismus unterworfen hatten. Benedikt XVI. erinnerte zudem an die „Samtene Revolution“ und forderte die Tschechen auf, die christliche Tradition zu erneuern. Er hob die Bedeutung des christlichen Glaubens für die Entwicklung der tschechischen Geschichte und Kultur hervor. Präsident Václav Klaus betonte die Symbolik des Besuchs von Papst Benedikt XVI. in Tschechien kurz vor dem 20. Jahrestag des Zusammenbruchs des kommunistischen Regimes.Die Themen, die seit Jahren das Verhältnis zwischen dem Vatikan und der Tschechischen Republik belasten, standen bei den Treffen mit Vertretern von Staat und Kirche nicht auf der Agenda des Papstes. Die Tschechische Republik ist einer der letzten Staaten Europas, die noch keinen bilateralen Vertrag mit dem Vatikan, also ein Konkordat, abgeschlossen haben. Im Jahr 2003 war zwischen Staat und Kirche zwar ein Vertragstext ausgehandelt worden, doch das Parlament lehnte diesen ab.Seit mehr als zehn Jahren wird in Tschechien zudem über eine Regelung zur Rückgabe des Kirchenbesitzes gestritten, den das ehemalige kommunistische Regime verstaatlicht hatte. Die Mitte-Rechts-Regierung unter Premier Mirek Topolánek hat 2008 ein Gesetz beschlossen, das den Staat gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften zu Restitutionen und Entschädigungen in Höhe von insgesamt 3,2 Milliarden Euro verpflichtete. Im Parlament wurde das Gesetz aber zu Fall gebracht.Beruhigende Worte gab es für Tschechien in dieser Frage vom Staatssekretär des Vatikans, Tarcisio Bertone. Er betonte bei einem Treffen mit dem tschechischen Premierminister Jan Fischer am Samstag, dass mit Rücksicht auf die Wirtschaftskrise die Regelung der Eigentumsverhältnisse für die katholische Kirche nicht die Priorität genieße.
Andreas Wiedemann
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