Tschechien

LONDON UND PRAG VEREINT GEGEN DIE EU-REFORM

(n-ost) – Heute wird es vollbracht: Bundespräsident Horst Köhler schließt mit seiner Unterschrift die Ratifizierung des EU-Vertrags von Lissabon in Deutschland ab. Nun müssen die anderen Staaten nur noch mitziehen, denn das Werk zur Reform der Union tritt erst in Kraft, wenn es alle 27 Mitgliedstaaten ratifiziert haben. Die Gegner der EU wollen dies bis zuletzt verhindern.Wenn die Iren in einem wiederholten Referendum am 2. Oktober Ja zum Lissabon-Vertrag sagen, wird auch der polnische Präsident Lech Kaczynski seine Unterschrift nicht verweigern, das hat er zumindest angekündigt. Das Schicksal des Vertrags läge dann allein in den Händen des tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus. Er gehört zu den entschiedensten Gegner des EU-Reformvertrags und zögert nach wie vor mit seiner Unterschrift unter das Dokument, dem beide Kammern des tschechischen Parlaments bereits zugestimmt haben.Nun wurde ein Brief von David Cameron, dem Chef der britischen Konservativen, bekannt, in dem er Klaus dazu aufruft, die Ratifizierung noch bis zur britischen Parlamentswahl im kommenden Jahr hinauszuzögern. Sollten die Konservativen, was als wahrscheinlich gilt, die Wahl gewinnen, werde er eine Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag ansetzen, versprach Cameron. Zwar hat das britische Parlament den Vertrag bereits gebilligt, die Mehrheit der Briten lehnt die EU-Reform jedoch Umfragen zufolge ab.Klaus erhielt den Brief aus Großbritannien schon am 13. Juli, wie sein Sprecher inzwischen bestätigte. Bereits zuvor hatte Klaus erklärt, er wolle „der Letzte in Europa“ sein, der seine Entscheidung über den Abschluss der Ratifizierung fälle. Neben dem Hinweis auf das ausstehende irische Referendum betonte Klaus, er müsse das Urteil des tschechischen Verfassungsgerichts in Brünn abwarten. Der Prüfantrag, den eine Gruppe konservativer Senatoren in Aussicht stellte, wurde aber noch nicht eingereicht. Die Kritiker des Vertrags hatten den Termin bereits einige Mal verschoben. Nun wollen sie ihren Antrag am 29. September stellen.Wie lange sich das tschechische Verfassungsgericht mit dem Vertrag befassen wird, ist unklar. Die Erörterung der Klage kann aber erfahrungsgemäß mehrere Monate dauern. Die  Senatoren der konservativen Partei ODS hatten bereits im Februar 2008 einen Prüfantrag in Brünn gestellt. Im November 2008 erklärten die Verfassungsrichter, die beanstandeten Punkte stünden nicht in Widerspruch zur Verfassung. Die damalige Beschwerde bezog sich aber nur auf bestimmte Teile des Lissabon-Vertrags. Nun soll der gesamte Vertrag geprüft werden, nachdem die Senatoren bereits Anfang September eine Klage gegen die Begleitgesetze zum Lissabon-Vertrag eingereicht hatten. Diese sehen, ähnlich wie in Deutschland, die Mitwirkung beider tschechischer Parlamentskammern bei der Übertragung von Kompetenzen auf die EU vor.Tschechiens Premier Jan Fischer sieht die erneuten Verfassungsbeschwerden der Senatoren-Gruppe kritisch und erklärte, grundlose Verzögerungen im Ratifizierungsprozess könnten negativen Einfluss auf die Stellung Tschechiens in der EU haben. Auch Europaminister Stefan Füle hat seine Forderung erneuert, die Ratifizierung in Tschechien schnellstmöglich abzuschließen.Als Klaus am Rande der UN-Vollversammlung in New York von Journalisten gefragt wurde, wie lange er noch mit seiner Unterschrift warten werde, antwortete der tschechische Präsident, er gehe davon aus, dass der Lissabon-Vertrag am 2. Oktober von den Iren abgelehnt werde und er sich deshalb nicht mit dieser Frage plagen müsse.Andreas Wiedemann, Prag
ENDE


Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0


Weitere Artikel