Slowakei

Zwei EU-Länder auf Crashkurs

Eklat sorgt für neuen Tiefpunkt in den Beziehungen zwischen Ungarn und der Slowakei(n-ost) – Bereits im Jahr 1038 ist der ungarische Staatsgründer, Stephan der Heilige, gestorben, aber bis heute entzweit er Ungarn und Slowaken. Eigentlich sollten auch die Slowaken auf Stephan stolz sein, so wie die Tschechen auf den Luxemburger Karl IV. oder auf Maria Theresia. Doch ein Standbild Stephans sorgte in den latent gespannten Beziehungen zwischen Bratislava und Budapest am Wochenende für einen handfesten Eklat.Ungarns Präsident Laszlo Solyom rang mühsam um Worte, als er auf dem Weg in die slowakische Grenzstadt Komarno mitten auf der Brücke über die Donau haltmachen musste. Solyom wollte dort auf Einladung des Kulturverbandes der ungarischen Minderheit in der Slowakei ein Reiterstandbild Stephans einweihen. Doch die slowakische Führung untersagte ihm die Einreise und entsandte ein beachtliches Polizeiaufgebot für den Fall, dass sich Solyom nicht daran halten würde. Ein bespielloser Eklat zwischen zwei EU-Nachbarn, die zudem in der Nato verbündet und im Rahmen der Visegrad-Staatengruppe mit Tschechien und Polen besondere Beziehungen pflegen sollten.Einen ganzen Monat hatten Bratislava und Budapest über den als „privat“ deklarierten Besuch verhandelt. Die Slowaken hätten angeblich nichts gegen die Visite gehabt, wenn Solyom dabei auch Interesse an einem Treffen mit seinem slowakischen Kollegen Ivan Gasparovic gezeigt hätte. Doch das wollten weder Solyom noch die ungarische Minderheit; Gasparovic hatte in seiner Kampagne für seine Wiederwahl zum Staatsoberhaupt mehrfach die ungarische Minderheit angegriffen. Die Slowaken fordern zudem seit Langem, dass in Komarno eine Skulptur der slawischen Apostel Kyrill und Method aufgestellt werden kann – vergeblich. Das soll die slawischen Wurzeln der Slowaken betonen, die tausend Jahre im „Oberland“ lebten, einer weitgehend vergessenen ungarischen Provinz.Es ist die Geschichte, die beider Länder Verhältnis bis heute belastet. Die Ungarn verloren 1920 im Vertrag von Trianon zwei Drittel ihres Staatsgebiets, darunter die Slowakei, was bis heute für Unruhe sorgt. „Privatbesuche“ des ungarischen Präsidenten gelten beim Nachbarn denn auch immer als eine Gelegenheit, mit denen Ungarn versuche, Gebietsansprüche zu stellen. Der slowakische Premier Robert Fico, in dessen Kabinett auch die ungarnfeindliche Nationalpartei sitzt, sprach von einer „unerhörten Provokation“ gegen sein Land. Komarno liege schließlich auf slowakischem Staatsgebiet. Dort gebe es keine ungarische Staatlichkeit zu feiern.Reichlich albern wirkte nach Meinung westlicher Diplomaten die offizielle Begründung für die Einreiseverweigerung: Der 21. August erinnere die Slowaken daran, dass an jenem Tag im Jahre 1968 auch ungarische Truppen in die damalige Tschechoslowakei einmarschiert seien, um den Prager Frühling gewaltsam niederzuschlagen. Dafür hatte sich Ungarn schon 1989 entschuldigt.Die unsouveräne Reaktion der Slowakei, die von einem gewaltigen Minderwertigkeitsgefühl gegenüber den Nachbarn im Süden zeugt, stachelt nun wiederum Budapest an. Die Ungarn wollen den Fall vor die EU bringen. Budapest hat dort eine starke Lobby, vor allem bei den Deutschen, die sich dankbar daran erinnern, dass es die Ungarn waren, die ihre Grenze 1989 als erste für die Ostdeutschen geöffnet hatten. Die Slowakei hat schlechtere Karten, vor allem wegen der Rechtsradikalen in Ficos Regierung.Beobachtern und Kommentatoren scheint es dennoch langsam an der Zeit zu sein, dass sich die EU des aberwitzigen Streits zwischen beiden Ländern annimmt, der nationalistisch gefärbt, grotesk, aber zugleich brandgefährlich ist. Zudem haben beide Länder ganz andere Probleme zu lösen: Sie durchleiden eine Wirtschaftskrise, die die Ungarn noch stärker trifft als die Slowaken. Und beide Nachbarn haben ein Problem mit den Roma, oder besser gesagt, mit den Rechtsradikalen, die gegen die Roma zu Felde ziehen. Übrigens durchaus vereint. Zu einem provokatorischen Auflauf rechter Slowaken am Wochenende in Krompach waren auch ungarische Neonazis angereist. Die benutzen eine gemeinsame Sprache, die den Politikern bislang völlig fremd ist. Ein Krisenmanagement der EU scheint auch deshalb angezeigt, da der kommende ungarische Premier nach Lage der Dinge Viktor Orban heißen wird. Der Nationalpopulist, so fürchten Beobachter, wird nicht eben zur Beruhigung im bilateralen Verhältnis beitragen.Hans-Jörg Schmidt
ENDE
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