Rechtsextreme machen Front gegen Roma
„Es ist ein Wunder, dass die kleine Natalka bislang überlebt hat.“ Die Chefin der Spezialklinik in Ostrava (Mährisch-Ostrau) hat in ihrer beruflichen Laufbahn sie schon schlimme Fälle erlebt, doch Natalka ist einmalig. Gerade zwei Jahre jung ist das kleine Roma-Mädchen. Als es eingeliefert wurde, im April dieses Jahres, waren 80 Prozent seiner Haut verbrannt. Folge eines feigen Anschlags auf das Haus der Eltern von Natalka.Die Täter schleuderten vier Molotow-Cocktails durch die Fenster, nachts, als alle schliefen. Die Eltern konnten sich mit Mühe retten, um Natalka kämpfen seither die Ärzte einen schweren Kampf. Monate hat sie im künstlichen Koma zugebracht. In dieser Zeit ist sie fünfmal operiert worden. „Sie ist heute über den Berg, kommuniziert mit den Augen“, sagt die Klinikchefin. Eine Prognose fällt ihr schwer. „Vermutlich wird Natalka zeitlebens große gesundheitliche Probleme haben. Körperlich, aber vor allem auch seelisch.“Die mutmaßlichen Täter sind vor ein paar Tagen festgenommen worden. Die Polizei in Nordmähren/Schlesien spricht von einem großen Erfolg. Zuvor stand sie unter gehörigem Druck. Hatte die tschechische Gesellschaft ähnliche Verbrechen an Roma in den vergangenen Jahren eher beiläufig registriert, horchte man diesmal auf. Natalka rührte an. Auch die Politiker, die quer durch die Parteien ihre Abscheu äußerten. Laut. Erstmals. Drei der vier Festgenommenen haben die Beteiligung an der Tat mittlerweile zugegeben. Um die 25 Jahre alt sind sie, ihren Nachbarn sind sie nie negativ aufgefallen. Auch die Eltern sind angeblich entsetzt. Dass ihre Kinder Nazi-Devotionalien sammelten wie andere Briefmarken, hat keinen Verdacht in ihnen aufkommen lassen. Einer der Tatverdächtigen hat offenbar enge Beziehungen zur so genannten Arbeiterpartei (DS). Die DS rottet sich seit Monaten regelmäßig zu provokatorischen Märschen durch Roma-Viertel in ganz Tschechien zusammen. In Litvinow (Oberleutensdorf) lieferten sich die Rechtsradikalen eine Straßenschlacht mit der Polizei.
Straßenszenen aus Jarovnice, dem größten Roma-Viertel der Slowakei. Foto: Björn Steinz
Die Partei hat besonders in den sozialen Problemregionen Nordböhmen und Nordmähren/Schlesien ihre Bastionen. Die Chefs der DS stellten sich demonstrativ an die Seite der festgenommenen mutmaßlichen Täter des Überfalls auf das Wohnhaus von Natalkas Eltern. Sie behaupten, die Polizei wolle Unschuldige zu Sündenböcken machen. Mittlerweile aber bröckelt die Unterstützung, seit die Nachricht die Runde machte, dass die Attentäter ihre feige Tat auch noch gefilmt und ins Internet gestellt hätten.
Dem Innenminister der amtierenden Übergangsregierung, Martin Pecina, ist nach dem Fall Natalka der Kragen geplatzt. Er will die Beziehung der Attentäter zur DS zum Anlass nehmen, einen Verbotsantrag gegen die Partei zu stellen. Es wäre der zweite seiner Art. Mit dem ersten scheiterte die vorherige Regierung vor Gericht, weil er schlecht vorbereitet war. „Wir haben jetzt Material von hoher Qualität, mit dem das Gericht zweifellos arbeiten kann“, sagt der Minister optimistisch. Auch in den Medien findet das Vorgehen des Ministers durchweg ein positives Echo.
In der Slowakei sind die zuständigen Minister hingegen nicht so entscheidungsfreudig. Im Netzwerk Facebook ist eine Gruppe gegründet worden, die sich gegen die Roma-Minderheit und deren Unterstützung mit Geldern aus der EU wendet. Binnen kurzer Zeit haben sich 40.000 Slowaken als Mitglieder der Gruppe eingetragen.Weder für den Innenminister noch für den Vizepremier, der die nationalen Minderheiten zu betreuen hat, war das ein Grund zum Einschreiten. Was wiederum die Medien aufbrachte. „Ein Aufruf zum Rassenhass im Internet ist nicht minder verwerflich und strafbar als ein rassistisches Pöbeln in der Kneipe, auf einem Marktplatz oder in einem Fußballstadion“, schrieb eine führende slowakische Zeitung. Gewirkt hat das bei den Ministern bislang nicht.
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