Patt nach den Wahlen
Während des Wahlkampfs noch hatte der Chef der kleinen Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) die Abwahl von Ministerpräsident Sali Berisha zum wichtigsten Ziel erklärt. Nun, da im neuen albanischen Parlament eine Patt-Situation entstanden ist, ist Ilir Meta bereit, eine Koalition mit der alten Regierungspartei, der Demokratischen Partei (PD), einzugehen. Damit würde er Berisha zur Wiederwahl verhelfen. Meta begründet seinen Seitenwechsel mit der Notwendigkeit politischer Stabilität in Albanien.
Nachdem erste Hochrechnungen kurz nach den Wahlen am 28. Juni der PD von Ministerpräsident Sali Berisha eine deutliche Mehrheit prognostizierten, zeichnete sich im weiteren Verlauf der Stimmauszählungen ein dichtes Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Sozialistischen Partei (PS) unter Tiranas Bürgermeister Edi Rama ab. Von den 140 zu vergebenden Mandaten sicherte sich die PD mit ihrer mehrere kleine Parteien umfassenden „Allianz für den Wandel“ 70 Mandate, während die Parteienkoalition „Union für den Wandel“ der PS nur 66 Mandate erreichte. Die unabhängig von den beiden großen Wahlbündnissen angetretene Sozialistische Bewegung für Integration (LSI) von Ilir Meta erhielt vier Mandate.
Dies bedeutet eine Patt-Situation, da keine Partei die erforderliche Mehrheit von 71 Mandaten erreicht hat. Für Überraschung sorgte deshalb die Ankündigung Ilir Metas Ende vergangener Woche, noch vor Bekanntgabe des endgültigen Ergebnisses, das Lager zu wechseln und mit der PD eine Koalition einzugehen. Während Sali Berisha diesen Schritt begrüßt und eine „Regierung der Europäischen Integration“ verspricht, kündigt die PS an, die Wahlergebnisse nicht anzuerkennen, sondern öffentliche Proteste zu organisieren und eventuell sogar das neue Parlament zu boykottieren.
Die PS beruft sich auf neun Wahlurnen aus der südlichen Region um Fier, die wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten beim Vorgehen der Stimmabgabe bis zuletzt nicht ausgezählt wurden. Außerdem fordert sie Neuauszählungen der Stimmen in mehreren anderen Wahlbezirken von Albanien, bei denen sie weitere Manipulationen vermutet. Die albanische Wahlkommission entschied jedoch am Dienstag, die umstrittenen Urnen nicht auszählen zu lassen und Ergebnisse aus zwei anderen Wahlzentren der Region für ungültig zu erklären.
Aus dem betroffenen Wahlbezirk könnte die PS noch ein weiteres Mandat holen: Dafür fehlen ihr dort nach offiziellen Einschätzungen nur 37 zusätzliche Stimmen. Viele Parteimitglieder der LSI kritisierten die Entscheidung ihres Parteichefs als falsch und verfrüht, da die Partei, ohne die endgültigen Ergebnisse abzuwarten, weitere Optionen verschenke. Zudem sei es eine rein persönliche Entscheidung Metas gewesen, ohne Rücksprache mit der Partei. Viele, die einen Wechsel der Regierung unterstützt hatten, zeigten sich von dem politischen Manöver Ilir Metas enttäuscht.
Ilir Meta kann mit seinen Mandaten die Wahlen entscheiden / Hans-Ulrich Lempert, n-ost
Kommt es tatsächlich zu einer Koalition zwischen der alten Regierungspartei und der LSI, dürfte dies die Quittung Ilir Metas an Edi Rama sein. Letzterer hatte die Kooperationsangebote Metas während des Wahlkampfs konsequent abgelehnt. Weitere Details zu den Vereinbarungen in der Koalition sind noch nicht bekannt. Für Albanien stellen solche Verhandlungen ein Novum dar: Nach den bisherigen Parlamentswahlen waren nie Koalitionen von konkurrierenden Parteien notwendig geworden, da stets jeweils das rechte oder linke Lager eine deutliche Mehrheit erlangen konnte.
Für den Fall, dass keine Regierungsmehrheit zustande kommt, sind Neuwahlen im Herbst notwendig. Dies würde nach dem angespannten Wahlkampf eine weitere Verschärfung der politischen Konfrontation bedeuten. Die endgültigen Wahlergebnisse werden nach Angaben der albanischen Wahlkommission erst im August erwartet. Die internationale Gemeinschaft hatte den Verlauf der Wahlen als prinzipiell korrekt bewertet, aber dennoch kleinere Unregelmäßigkeiten festgestellt. Es seien noch immer nicht europäische Standards erreicht worden, hieß es. Für die Perspektive zum EU-Beitritt Albaniens war die freie und faire Durchführung der Wahlen ein wichtiges Indiz.