Rumänien

Straßenhunde als tödliche Gefahr

Taniusa Statchievici war froh, dass sie endlich einen Job gefunden hatte. Die 49-jährige Bukaresterin war monatelang arbeitslos gewesen, nun hatte eine Recycling-Firma sie eingestellt. An einem kalten, verschneiten Tag im vergangenen Januar überprüfte sie im Bukarester Stadtteil Ferentari, wo Sammelcontainer für Elektronikschrott aufgestellt werden könnten. Auf einem Gelände der städtischen Grundstücksverwaltung fiel plötzlich ein Rudel Straßenhunde über sie her. Trotz mehrerer Notoperationen konnte die Frau nicht gerettet werden: Drei Tage später starb sie auf der Intensivstation eines Bukarester Krankenhauses.

Die tödliche Hundeattacke ist nicht die einzige, aber die schlimmste der vergangenen Jahre. Und gewissermaßen die Spitze eines Eisberges. Denn Rumänien hat ein ernst zunehmendes Straßenhunde-Problem: Hundertausende herrenloser Vierbeiner leben in den Städten und plagen die Bewohner. Allein in Bukarest wurden in den vergangenen zwei Jahren rund 20.000 Menschen gebissen.

In diesen Tagen debattiert die Öffentlichkeit das Thema wieder besonders heftig. Der Grund: Das rumänische Verfassungsgericht hatte Anfang Januar ein Gesetz zur Lösung des Problems im Land für verfassungswidrig erklärt. Das Gesetz war Ende November vom Parlament verabschiedet worden und sollte Städten und Kommunen ermöglichen, Straßenhunde einzufangen und einzuschläfern. Tierschützer hatten daraufhin gegen das Gesetz geklagt – mit Erfolg: Die Verfassungsrichter erkannten Formfehler im Gesetz und schickten es an das Parlament zurück.

Viele Bürgermeister und Vertreter von Lokalverwaltungen reagierten mit Kopfschütteln und Entsetzen. „Wir werden dann eben ein Tierheim für tausende Hunde eröffnen, um diese verfluchten Streuner loszuwerden“, verkündete der Bukarester Oberbürgermeister Sorin Oprescu. „Lassen die Tierschützer nun die Sektkorken knallen, weil die Hunde auf der Straße bleiben?“, fragte der Präfekt der Hauptstadt, Mihai Atanasoaei.

Vertreter von Tierschutz-Organisationen dagegen nennen das nun gekippte Gesetz „unmoralisch“. „Statt die Hunde zu töten, können die lokalen Behörden die Straßenhunde sterilisieren, das ist sehr effizient“, heißt es in einer Erklärung der Organisation „Vier Pfoten“.

Angesichts der Dimension des Problems eine zynische Haltung. Auf mehrere hunderttausend wird die Zahl der Straßenhunde in rumänischen Städten geschätzt, für Bukarest schwanken die Angaben zwischen 50.000 und 100.000. Auch in anderen Großstädten wie der Schwarzmeer-Hafenstadt Constanta oder der nordrumänischen Metropole Iasi gibt es kaum hundefreie Zonen.

Für Passanten auf den Straßen wird so jeder Weg zur Zitterpartie, vor allem abends und nachts. Die Straßenhunde verteidigen ihr Territorium, greifen häufig in Rudeln an, oft aber auch vereinzelt aus dem Hinterhalt, wenn sie sich in Hauseingängen oder Hinterhöfen gestört oder erschreckt fühlen. Laut offizieller Statistik wurden 2010 allein in Bukarest 13.220 Personen von Straßenhunden gebissen – und dabei zählten die Behörden nur die, die sich nach einer Hundeattacke gegen Tollwut impfen ließen.

Das Straßenhunde-Problem ist eine der Hinterlassenschaften der Ceausescu-Diktatur. Als ab Ende der 1970er Jahre in Rumänien immer mehr Innenstädte mit ihren kleinen Villen und Gärten abgerissen wurden, um Plattenbauten Platz zu machen, ließen viele der zwangsumgesiedelten Bewohner ihre Hofhunde einfach auf der Straße, wo sie sich immer rasanter vermehrten.

Anläufe, das Problem zu lösen, gab es in den vergangenen Jahren viele. So ließ Rumäniens derzeitiger Staatspräsident Traian Basescu als Bürgermeister von Bukarest in den Jahren 2001 bis 2003 tausende Straßenhunde einfangen und töten. Doch Proteste von Tierschutz-Organisationen und Tierliebhabern aus der Bevölkerung stoppten solche Programme. Auch Massensterilisierungen brachten nicht den gewünschten Erfolg. Einzig die siebenbürgische Kronstadt Brasov gilt heute als weitgehend straßenhundefrei – durch ein seit 1996 konsequent durchgeführtes Tötungs- und Sterilisierungsprogramm.


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