Neue Ungarn-Partei – Brücke zu Slowaken
Zwischen den 4,5 Millionen Slowaken und den 500 000 Ungarn in der Südslowakei kündigt sich Revolutionäres an. Erstmals soll das Wort „Zusammenleben“ besonderen politischen Inhalt bekommen. So jedenfalls beabsichtigt es Bela Bugar, der langjährige Chef der ungarischen Minderheitenpartei SMK. Er hat sich am vergangenen Wochenende mit anderen Mitstreitern aus der Partei verabschiedet.Am Dienstag gründete er ein Alternativprojekt, mit dem er in der Slowakei politisches Neuland betritt. Die von Bugar gegründete neue Partei „Most – Hid“ enthält schon im Namen ihr Programm. „Most“ ist die slowakische und „Hid“ die ungarische Bezeichnung für „Brücke“. Und eben eine solche Brücke zwischen den Ungarnstämmigen und den Slowaken will Bugar mit seiner neuen Partei schlagen.
Unter Bugar hatte die konservativ ausgerichtete SMK ihre besten Zeiten erlebt. Sie war Teil der bürgerlichen Reformregierung unter Premier Mikulas Dzurinda und galt vielen als der verlässlichste Partner in der damaligen Koalition. Der Machtwechsel hin zur Koalition des linkspopulistischen Regierungschefs Robert Fico mit den Nationalisten und der rechtsextremen Nationalpartei führte zu einer Radikalisierung unter den Slowaken wie der ungarischen Minderheit. Der immer auf Ausgleich bedachte Bugar – der vor allem deshalb auch unter vielen Slowaken beliebt war – wurde von der Spitze der SMK verdrängt.
Die neue SMK-Führung unter dem Vorsitzenden Pal Csaky und dem Chefideologen Miklos Duray richtete sich mehr und mehr an konservativen Politikern in Budapest aus, namentlich am Chef der oppositionellen Fidesz-Partei, Viktor Orban. Orban wiederum gilt den slowakischen Parteien unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung als rotes Tuch. Als Orban unmittelbar vor den Europawahlen die ungarnstämmigen Slowaken aufrief, mit dafür zu sorgen, dass die „Interessen aller im Karpatenbecken“ lebenden Magyaren in Brüssel und Straßburg so stark wie möglich durchgesetzt werden, reagierte die Regierung Fico scharf. Sie berief eine Sondersitzung des Parlaments ein, auf der die „großungarischen Töne“ Orbans und seiner Freunde in der Slowakei nachdrücklich angeprangert wurden. Der Begriff „Karpatenbecken“ erinnert an das Ungarn vor dem Vertrag von Trianon (1920), bei dem Budapest zwei Drittel seines Staatsgebietes abtreten musste, darunter auch die Südslowakei, in der heute die ungarische Minderheit der Slowakei ziemlich geschlossen lebt.
Orbans massiver Erfolg bei den Europawahlen und das Anwachsen der rechtsnationalistischen Gruppierung Jobbik, die offen antislowakisch ausgerichtet ist, haben die latenten Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern nicht eben abgeschwächt. Unter diesen Spannungen droht zunehmend auch das Zusammenleben der Slowaken und ihrer starken ungarischen Minderheit zu leiden. Angesichts dessen ist die Gründung der neuen Partei „Most - Hid“ durch Bugar ein kühnes Unterfangen.
Bugar meint es mit der Öffnung der Partei ernst; er hat angekündigt, auf die oppositionelle Präsidentschaftskandidatin Iveta Radicova zugehen zu wollen, die ungeachtet ihrer Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen zur neuen Hoffnungsträgerin der christlich-liberalen SDKU von Dzurinda geworden ist. Radicova hatte bei der Präsidentschaftswahl die überwiegende Mehrheit der ungarnstämmigen Wähler hinter sich bringen können. Ein künftiges politisches Gespann der beiden ausgewiesenen Europäer Radicova und Bugar könnte zu einer wirklichen Herausforderung für die jetzigen nationalpopulistischen Regierenden in Bratislava werden.
Dass eine ethnisch offene Partei in der Slowakei durchaus Sinn macht, beweisen die zahlreichen Mischehen aus Slowaken und Ungarn. Slowaken und Ungarn leben eh friedlich und ohne größere Animositäten miteinander und sind damit vielfach weiter als die politischen Repräsentanten. Bugar könnte einer sein, der diesem Zusammenleben ein politisches Dach zimmert.
Freilich bedeutet die Gründung der neuen Partei auch eine Spaltung der SMK, die bislang die einzige politische Vertretung der ungarischen Minderheit war. So gibt es denn auch warnende Stimmen, die die Befürchtung aussprechen, dass bei den nächsten Parlamentswahlen keine der beiden Parteien den Sprung ins Parlament schaffen könnte. Die angekündigte Unterstützung für „Most-Hid“ durch viele Bürgermeister sowie regionale Politiker deutet aber eher darauf hin, dass die neue Partei der alten SMK sehr schnell den Rang ablaufen wird. Da bleibt vor allem abzuwarten, welchen Zulauf Bugars neue Partei von Slowaken bekommen wird.Hans-Jörg Schmidt