Die Schonfrist für Serben ist vorbei
Knapp 16 Monate nach der einseitigen Ausrufung seiner Unabhängigkeit zeigt sich der junge kosovarische Staat selbstbewusst: Vergangene Woche verweigerte Prishtina erstmals einem hohen serbischen Politiker die Einreise. Goran Bogdanovic, dem für Kosovo zuständigen Minister in der serbischen Regierung, wurde mitgeteilt, seine Anwesenheit sei nicht erwünscht. Bogdanovic habe bei seinen letzten Besuchen die von Belgrad organisierten und finanzierten Parallel-Strukturen der Kosovo-Serben unterstützt, begründete Arber Beka, Sprecher der Kosovo-Polizei, die Entscheidung der kosovarischen Regierung.
Belgrad reagierte zwar mit scharfen Protesten, ließ es aber nicht auf eine Konfrontation an der kosovarischen Grenze ankommen und sagte Bogdanovics Besuch ab. Auch die zur Neutralität verpflichtete EU-Rechtsstaats- und Polizeimission EULEX in Kosovo sprang dem Minister nicht zur Seite. Ihr Sprecher Christophe Lamfalussy wies lediglich darauf hin, dass die Verantwortung „für die Herstellung guter Beziehungen mit den Nachbarn“ bei der kosovarischen Regierung liege.
Bereits vor dem orthodoxen Osterfest im April hatte es Anzeichen gegeben, der kosovarische Regierungschef Hashim Thaci könnte gar dem serbischen Staatspräsidenten Boris Tadic die Einreise nach Kosovo verbieten. Thaci hatte dann allerdings – wie Beobachter vermuten auch auf Anraten der US-amerikanischen Botschaft in Prishtina – den Besuch Tadics im serbisch-orthodoxen Kloster Visoki Decani erlaubt und als „privat und von rein religiöser Natur“ bezeichnet.
Als ein Grund für das erstarkte kosovarische Selbstbewusstsein darf der Auftritt des US-amerikanischen Vizepräsidenten Joe Biden vor zwei Wochen in Prishtina gesehen werden. Biden hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass die Unabhängigkeit Kosovos unumkehrbar sei. „Der Erfolg des unabhängigen Kosovo ist eine Priorität unseres Landes“, hatte der US-Vize betont. Auch würden sich die USA für weitere Anerkennungen Kosovos einsetzen. Bislang haben 60 Staaten die am 17. Februar 2008 ausgerufene kosovarische Unabhängigkeit anerkannt, zuletzt Mitte Mai das Königreich Bahrain im Persischen Golf.
Auch innenpolitisch zeigt sich die kosovarische Regierung entschlossen, unberechtigten Bevorzugungen der serbischen Minderheit, die rund 130.000 Menschen und damit etwa sechs Prozent der kosovarischen Bevölkerung umfasst, ein Ende zu bereiten. So hat das staatliche kosovarische Elektrizitätswerk KEK in den letzten Wochen mehreren von Serben bewohnten Dörfern im Süden des Landes zum Teil für Tage den Strom abgestellt – wegen nicht bezahlter Rechnungen. Verschiedene Vertreter der Kosovo-Serben warfen den kosovarischen Behörden daraufhin Diskriminierung vor mit dem Ziel, die serbische Minderheit zu schikanieren und vertreiben zu wollen.
Allerdings ließen die Protestierenden außer Acht, dass die meisten im Süden Kosovos in Enklaven lebenden Serben auf Anweisung früherer serbischer Regierungen seit dem Krieg im Jahr 1999 keine Stromrechnungen mehr bezahlt haben. Dabei sind Schuldenberge von oft mehreren tausend Euro pro Haushalt entstanden – der Strom floss aber trotzdem. Wurde er abgestellt, war der Grund dafür bislang meist die ganz allgemein in Kosovo grassierende Energieknappheit.
Seit der Unabhängigkeit nahm die Forderung der albanischen Bevölkerungsmehrheit gegenüber der kosovarische Regierung zu, die Zahlungsverweigerung der Serben nicht mehr weiter hinzunehmen. Denn auch in von Albanern bewohnten Dörfern wird der Strom abgestellt, wenn zu viele Einwohner ihre Rechnungen nicht bezahlen. Der Druck der Behörden scheint nun tatsächlich Wirkung zu zeigen. Ein Großteil der kosovo-serbischen Enklaven hat einer Pauschale von 26 Euro pro Haushalt für die letzten beiden Monate zugestimmt und zahlt damit erstmals seit Jahren überhaupt wieder für Strom.
Auch im Polizeibereich will Prishtina keine bevorzugte Behandlung von Kosovo-Serben mehr zulassen. Nach der Unabhängigkeitserklärung waren rund 300 kosovo-serbische Polizisten aus Protest gegen diesen Schritt nicht mehr zu Arbeit erschienen – die damalige serbische Regierung unter dem nationalistischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica hatte dazu aufgerufen. Die Polizisten wurden vom Dienst suspendiert, den Lohn erhielten sie allerdings weiterhin. Damit ist jetzt Schluss. „Seit dem 15. Mai bekommen sie kein Gehalt mehr“, bestätigte Polizeisprecher Arber Beka.
Wer weiterhin für die Kosovo-Polizei arbeiten wolle, habe noch bis zum 30. Juni die Möglichkeit, sich wieder zum Dienst zu melden. Anschließend würden die Betroffenen die Kündigung bekommen und die Stellen ausgeschrieben. Die klare Ansage zeitigt Folgen: Inzwischen sind mehrere Dutzend serbische Polizisten an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Vor der Unabhängigkeitserklärung waren 813 der insgesamt 7.200 Kosovo-Polizisten Serben.