Slowenien

Braunbären werden via Satellit erforscht

Slowenische Wissenschaftler erforschen das Fortbewegungsverhalten von Braunbären per GPS-Satellitensystem

(n-ost) – Dass sich Slowenen und Kroaten derzeit über ihren Grenzverlauf nicht einigen können, scheint Mirka überhaupt nicht zu stören. Sie pendelt munter zwischen beiden Ländern hin und her, versteckt sich mal im dichten Forst, tapst mal über ein Maisfeld. Mirka ist eine junge Braunbärendame. Und dass sie Grenzgängerin ist, haben slowenische Wissenschaftler mit Hilfe eines GSM/GPS-Satellitensystems ermittelt.20 Braunbären in freier Wildbahn wurden mit Halsbändern versehen, die Daten über den  Aufenthaltsort, die Körpertemperatur und das Fortbewegungstempo der Tiere sammeln. Im Stundentakt wird die entsprechende Information per SMS an das Forschungsteam verschickt. „Mit den Angaben erforschen wir das Bewegungsverhalten der Tiere und warum es überhaupt zum Kontakt zwischen Bär und Mensch kommt “, erklärt Projektleiter Klemen Jerina von der Biotechnischen Fakultät der Universität Ljubljana. Slowenien ist derzeit das einzige Land in der Region, das solch ein Projekt durchführt. In Skandinavien seien solche Forschungsmethoden auch bekannt, sagt Jerina. Dort gebe es allerdings nicht das Problem, mit dem sich Slowenien konfrontiert sieht: 430 Braunbären leben in dem jungen Adrialand auf relativ kleiner Fläche beisammen. Da die Bärenpopulation in den vergangenen Jahren angestiegen sei, sei es zu einer Ausweitung des Lebensraums und zur häufigeren Begegnung mit dem Menschen gekommen, so Jerina. Deshalb wurden in den vergangenen Jahren mehr Schäden registriert: Die Braunbären reißen gelegentlich Schafe, die in deren traditionellem Verbreitungsgebiet im Süden von Slowenien angesiedelt wurden oder machen sich über Bienenstöcke her. 450 Schadensfälle werden pro Jahr landesweit gemeldet, vor 30 Jahren waren es noch weniger als die Hälfte. Person kommen dabei nur selten zu Schaden, etwa ein bis drei Mal jährlich verletze ein Bär einen Menschen. Erst vor wenigen Wochen, Mitte April, hatte sich ein Braunbär in die Hauptstadt Ljubljana verirrt. Im Stadtpark Roznik war er zunächst in der Nähe des Zoos gesichtet worden – allerdings auf der „falschen Seite des Zauns“, wie ein Augenzeuge der Polizei berichtet hatte. Einen halben Tag dauerte die Verfolgungsjagd, die dem Bären nicht nur internationale Schlagzeilen einbrachte – sondern auch einen Namen: Roznik. Nachdem Roznik betäubt worden war, setzte man in wieder in Südslowenien aus, wo er herkommen soll.Der Hauptgrund dafür, dass sich Bären dem Menschen so sehr nähern, ist die Nahrungssuche:  Bären sind Allesfresser. Wilde Müllhalden in der Nähe von Siedlungen locken die Tiere an. Im Herbst sind es auch mal ein Maisfeld oder reife Zwetschgenbäume, so Jerina. Einmal sei ein Tier zwei Wochen lang immer wieder zur gleichen Stelle gezogen. Als die Wissenschaftler dort ankamen, entdeckten sie den Grund, der den Bären angelockt hatte – ein Pferdekadaver. Ein anderes Mal sei man aufmerksam geworden, als sich ein Tier vier Stunden lang nicht von der Stelle bewegt habe – dort habe es einen wilden Müllplatz mit Nahrung entdeckt, erklärt Jerina. Das Fortbewegungsverhalten der Bären sei sehr individuell. So hätten männliche Bären einen größeren Bewegungsradius als Weibchen, erzählt Miha Krofel von der Biotechnischen Fakultät, der zum Projektteam gehört. So habe Mirka, die Grenzgängerin, nur ein ganz kleines Territorium. Andere Bären leben unterdessen auf einer Luftlinie von 80 Kilometern. Man schaue sich vor allem die Aufenthaltsorte in der Nähe von Dörfern sehr genau an, an denen die Tiere geortet wurden. Dabei prüfe man die Vegetation und mögliche Nahrungsquellen, die den Bären angelockt haben könnten. Die Autobahn von Ljubljana an die Küste, die einen drastischen Einschnitt in den natürlichen Lebensraum der Bären darstellt, werde besonders intensiv untersucht, so Krofel. So hätten seit Ende vergangenen Jahres, als das zweijährige Projekt gestartet wurde, nur zwei von neun Bären in der Gegend die Autobahn überquert. Und zwar querfeldein, über die Leitplanke, so die Ergebnisse. Die Batterien im GPS-Halsband halten ungefähr ein Jahr. Danach ist Schluss mit der gestörten Privatsphäre der Bären. Per Fernsteuerung werden die Bänder gelöst, fallen von alleine ab und können später wieder verwendet werden, erklärt Marko Jonozovic, Abteilungsleiter für Wild und Jagd bei der slowenischen Forstbehörde. Er hat sich am Einfangen der Bären beteiligt. An Futterplätzen für Wild habe man Fallen aufgestellt, das Tier betäubt, ihm das Halsband angelegt und es später wieder frei gelassen, so Jonozovic. Die slowenische Forstbehörde legt auch die Abschussquote mit fest, die in diesem Jahr bei 70 Tieren liegt. Doch Projektleiter Jerina kritisiert dies: Der Abschuss sei keine Lösung, vielmehr müsse man untersuchen, warum es überhaupt zu Begegnungen zwischen Mensch und Tier komme. Da könne man ansetzen, um Schäden durch die Bären zu verhindern.Veronika Wengert
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