Ukraine

Brasilianer sollen den Uefa-Cup entscheiden

In diesen Wochen soll der Fünfjahresplan des Oligarchen Rinat Achmetow erfüllt werden. Mit dem Sieg des Uefa-Cups und der Fertigstellung der Donbass-Arena will der mutmaßlich reichste Mann der Ukraine und Eigentümer von Schachtjor Donezk endgültig zur europäischen Fußballelite aufschließen. Die Chancen dafür stehen gut. Schließlich fliegt die ukrainische Spitzenmannschaft nicht als Underdog zum Uefa-Cup-Finale am Mittwoch in Instanbul. Gleichzeitig muss Gegner Werder Bremen auf seinen Gelbgesperrten Spielgestalter Diego verzichten.

Tatsächlich war es so, dass Achmetow vor fünf Jahren, als er den rumänischen Trainer Mircea Lucescu verpflichtete, das geflügelte Wort vom Fünfjahresplan in die Welt setzte. Dessen Erfüllung soll am Ende der Triumph im Uefa-Cup sein. Gleichzeitig schickte sich Achmetow damals an, eine hochmoderne Fußballarena in das ostukrainische Donezk-Becken zu setzen, das er mit seinem Rohstoff-Imperium beherrscht. In dem Stadion soll bei der EM 2012 ein Halbfinale stattfinden. Zwar hat die Uefa Donezk als Spielstätte der EM in Polen und der Ukraine noch nicht bestätigt, aber der Stadionbau schreitet voran.

Vor einigen Tagen gab Achmetow bekannt, dass die Arena am 30. August eröffnet werden soll. Das ist gleichzeitig der Gedenktag der Bergarbeiter. Schachtjor, das heißt Bergmann. Ähnlich wie Schalke 04 in Deutschland pflegt Donezk ein Image als Knappenclub. Nur dass dort viele der Fans tatsächlich noch unter Tage schuften: In den Bergwerken des Oligarchen Rinat Achmetow, der seinen Reichtum vorwiegend aus der Erde holt: aus ungenügend gesicherten, oft Tod bringenden Gruben. Auch Banken, Versicherungen und ein Mobilfunkanbieter gehören zu seinem Firmenkonglomerat. Schachtjor garantiert die Spiele zum knappen Brot. Die loyalsten unter den Fans und Mitarbeitern schickt Achmetow bis nach Instanbul ins Finale. Auf seine Kosten. 160.000 Menschen sollen auf der Gehaltsliste des Rinat Achmetow stehen – mindestens fünf davon kommen aus Brasilien. Sie sind für die kreativen Elemente des Knappenclubs zuständig. Für das schnelle, kombinationssichere Spiel nach vorne.

Das Umschalten von der Defensive in die Offensive ist in Donezk perfektioniert. Hinten stehen zweikampfstarke Europäer wie der schussgewaltige Pole Mariusz Lewandowski im defensiven Mittelfeld, der rumänische Außenverteidiger Razvan Rat oder der ambitionierte ukrainische Nationalspieler Dimitri Chigrinskiy. Ganz entscheidend ist in Donezk das Spiel über die Flügel, vor allem über Darijo Srna, dem kroatischen Mannschaftskapitän. Ganz sicher gehört der Außenbahnspezialist auf rechts zur europäischen Spitze. Seine Standards sind präzise und häufig spielentscheidend. Srnas Schusstechnik erinnert stark an die von David Beckham. Im Umfeld der Mannschaft heißt es, das Endspiel sei seine letzte Partie im orangefarbenen Trikot. Er selbst dementiert das nicht. Vor der Saison buhlte der FC Liverpool um Srna. Auch in das Anforderungsprofil von Bayern München passt er, wo auf dieser Position ein Mann seiner Klasse gesucht wird.

Zum Erfolg von Schachtjor hat auch die Geduld beigetragen, die Lucescu mit den Brasilianern im Team hatte: vor allem mit dem athletischen Fernandinho und dem kleinen agilen Spielmacher Jadson, die er beide in seinem ersten Jahr in die Ukraine geholt hat, als junge, hochtalentierte, aber unerfahrene Spieler. Seit ihrer Jugend stehen sie gemeinsam in einer Mannschaft. Donezk ist erst ihre zweite Profistation. Dort haben sie in den vergangenen Jahren reichlich Erfahrung gesammelt, auch international. Schließlich hat Donezk so etwas wie einen garantierten Startplatz in der Championsleague.

Der Großteil des Teams spielt seit fünf Jahren zusammen. Seit der Übernahme des Clubs durch den Oligarchen Achmetow vor 13 Jahren besetzen Dynamo Kiew und Schachtjor regelmäßigen die ersten beiden Plätze der nationalen ukrainischen Liga. Die sichere Aussicht auf einen europäischen Wettbewerb, gepaart mit einem verhältnismäßig hohen und zudem steuerfreien Spielersalär lockt immer wieder sehr talentierte Brasilianer nach Donezk. Lucescu sucht sie selbst in ihrer Heimat aus. Die grauhaarige Gestalt eines romanischen Patriarchen ist seit 27 Jahren im Geschäft und hat schon die rumänische Nationalmannschaft, Inter Mailand, Galatasaray und Besiktas Istanbul trainiert.

Lucescu paart westeuropäische Fußballweltläufigkeit mit den besonderen Erfahrungen Ost- und Südosteuropas. Seine Vorgänger Nevio Scala und Bernd Schuster sind dagegen an den ukrainischen Verhältnissen gescheitert. Für brasilianische Spielerberater blieb Donezk dagegen eine beliebte Adresse. „Denn europäische Clubs nehmen nur selten ganz junge brasilianische Spieler auf. Das Risiko, sie zu integrieren, ist viel zu hoch. Bei einem ist es schon schwierig, eine ganze Gruppe ist ein echtes Problem. Ihr Leben ist Fiesta“, sagte Lucescu nach der Verpflichtung von Jadson und Fernandinho. Die hat sich inzwischen immerhin ausgezahlt.

Vor zwei Jahren nun traf die nächste Generation in Donezk ein: Ilsinho und Wilian stehen für den nächsten Fünfjahresplan, der mit dem Eröffnungsspiel der Donbass-Arena beginnt. Auch wenn Schachtjor in diesem Jahr in der Meisterschaft nur Zweiter wurde, hinter Dynamo Kiew, hat sich der Club einen Startplatz in der Championsleague gesichert. Für diese Spiele soll das Stadion in Donezk demnächst in Orange leuchten – nach dem technischen Vorbild der illuminierten Münchener Arena.Während der Marktwert ihrer beiden Landsleute Jadson und Fernandinho durch den diesjährigen Uefa-Cup nach oben geschnellt ist, haben sie sich die beiden Neuen Ilsinho und Wilian ins offensive torgefährliche Mittelfeld eingespielt. Dort liegt das Herzstück von Schachtjor. Lucescu lässt meistens nur mit einer Spitze spielen. An diesem System ist gegen den Halbfinalgegner Kiew auch schon Olympique Marseille gescheitert, genauso wie der russische Tabellenführer ZSKA Moskau. Der Uefa-Cup-Sieger von 2005 galt vielen Beobachtern als Favorit für den diesjährigen Titel. Nach Zenit St.Petersburg im vergangenen Jahr wäre es keine Überraschung, wenn der Uefa-Cup-Sieger 2009 erneut aus Osteuropa käme. Das könnte dann auch in den nächsten fünf Jahren immer mal wieder vorkommen.


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