Tschechien

Klaus-Kritiker drohen mit Amtsenthebung

Tschechischer Präsident verweigert dem Lissabon-Vertrag weiter seine Unterschrift(n-ost) – Während sich der tschechische Übergangspremier Jan Fischer in Brüssel vorstellte und einen würdigen Abschluss der EU-Ratspräsidentschaft seines Landes versprach, wurden in seiner Heimat die Messer gewetzt. Nachdem Präsident Vaclav Klaus die Absegnung des EU-Reformvertrags von Lissabon auch durch die zweite Kammer des Parlaments scharf kritisiert hatte, macht erstmals das Wort von einem Amtsenthebungsverfahren gegen das Staatsoberhaupt die Runde.Klaus hatte den Senatoren, die für den Vertrag stimmten, „feiges Versagen” vorgehalten und den Reformvertrag indirekt auf eine Stufe mit dem Münchner Abkommen von 1938 gestellt, das zur Zerschlagung der damaligen Tschechoslowakei durch Hitlerdeutschland führte. Der Vorsitzende des Senats, Premysl Sobotka, konterte in scharfer Form, Klaus stelle die Vertreter der parlamentarischen Demokratie in Frage. Tschechien sei der EU freiwillig beigetreten, Klaus selbst habe 1996 als Premier die Mitgliedschaft beantragt. Zwar müsse man gegen alle negativen Erscheinungen der europäischen Integration ankämpfen, jedoch nicht durch eine „offensichtliche Zerstörung der EU“, so Sobotka. Präsident Klaus untergrabe zudem mit seiner Kritik an der tschechischen Ratspräsidentschaft das Vertrauen der europäischen Partner und isoliere das Land mit seinen „emotionalen Vereinfachungen und unüberlegten Gesten“, sagte der Senatsvorsitzende. Klaus ließ sich von der Kritik des zweiten Mannes im Staate jedoch nicht beeindrucken. Er schickte nicht nur seinen Vertrauten Ladislav Jakl vor, der behauptete, mit dem Lissabon-Vertrag höre Tschechien auf, als selbstständiger Staat zu existieren, weil die EU „zum neuen Staat“ werde. Klaus sagte auch drei Abgesandten der Demokratischen Bürgerpartei ODS zu, mit seiner Entscheidung über Lissabon warten zu wollen, bis das Verfassungsgericht über eine neuerliche Klage von 17 ODS-Senatoren gegen den Reformvertrag befunden habe. Jene Senatoren lassen sich mit ihrer Klage aber absichtlich Zeit. Sie wollen so den Ratifizierungsprozess so lange wie möglich bremsen. Senator Jaroslav Kubera, einer der 17 Kläger, sagte, dass die Klage auch erst nach der Sommerpause eingereicht werden könnte. „So werden die Burschen in Brüssel zumindest ein bisschen nervös.“ Aus dem Verfassungsgericht heißt es, man werde zur Beurteilung der Klage wenigstens fünf Monate brauchen. Für die Zurückweisung der ersten Klage von ODS-Senatoren gegen den Vertrag vom Frühjahr 2008 hatten sie sieben Monate benötigt. Die Ratifizierung des Vertrages durch Klaus – so sie denn überhaupt kommt – kann sich also ewig hinziehen.Angesichts dessen rief die Vizepräsidentin des Senats, die Sozialdemokratin Alena Gajduskova, nach drastischen Schritten gegen das Staatsoberhaupt. Wenn Klaus die Entscheidung beider Kammern des Parlaments zu Lissabon ignoriere und den Vertrag blockiere, dann sollte er entweder selbst zurück treten oder seines Amtes enthoben werden. Letzteres wäre laut der tschechischen Verfassung nur möglich, wenn der Senat beim Verfassungsgericht eine Klage gegen den Präsidenten wegen „Hochverrats“ durchbringen könnte. Der Präsident würde in der Folge sein Amt verlieren und dürfte auch nicht neuerlich dafür kandidieren. Kommentatoren in Prag nannten dies eine „sehr theoretische Erwägung“. Dass sie ausgesprochen wurde, zeigt aber, wie erbittert der Streit um den Lissabon-Vertrag und die Haltung des Präsidenten inzwischen ist.Nun häufen sich auch Stimmen aus den Reihen der Parlamentarier, die bedauern, Klaus zu einer zweiten Amtszeit verholfen zu haben. Der frühere Außenminister Cyril Svoboda von den Christdemokraten, der massiv für die Wiederwahl Klaus‘ eingetreten war, sprach von einem Fehler, den er heute nicht wieder machen würde. Der stellvertretende christdemokratische Parlamentspräsident Jan Kasal nannte das Verhalten des Präsidenten „unwürdig“. Zur sofortigen Ratifizierung des Lissabon-Vertrages drängten Klaus bedeutende Künstler, darunter der aus Tschechien stammende amerikanische Oscar-Regisseur Milos Forman.Klaus selbst hat andere Pläne. Am Mittwoch wollte er auf der Prager Burg den irischen Lissabon-Gegner Declan Ganley empfangen. Ganley hatte erfolgreich die Kampagne gegen den EU-Reformvertrag in seinem Land geführt – in der Folge sagte seinerzeit die Mehrheit der Iren in einem Referendum „Nein“ zum Vertrag.Hans-Jörg Schmidt
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