Tschechien

Kultur kontra Sex

Westböhmen versucht mit Hilfe der EU sein negatives Image aus Sexläden und Billigmärkten loszuwerden.

Eger (Cheb) – Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs galt Eger (Cheb) im westböhmischen Bäderdreieck lange als Synonym für Prostitution und asiatische Ramsch-Märkte. Zwar findet sich auch heute noch Werbung für Billig-Sex und billiges Shopping im Internet, doch Nepp und ein gestiegenes Aids-Risiko haben die Kunden zurückhaltender werden lassen. Dagegen wächst die Zahl der Empfehlungen für einen Besuch in Sachen Kultur. Dies ist eine der Folgen von Investitionen in die Attraktivität der 32.000 Einwohner zählenden Stadt, die der EU-Beitritt Tschechiens ermöglicht hat.An Sehenswürdigkeiten hat die ehemalige Reichsstadt viel zu bieten: die Kaiserburg, deren Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, das gotische Franziskanerkloster, die Basilikakirche St. Nikolaus oder das Stöckl (Spaliček), eine Gruppe von putzigen Fachwerkhäuschen auf dem Marktplatz. Die Besucherzahlen in Eger steigen seit Jahren, 48.000 zählte man 2008. „Wir wollen uns auf den Tourismus konzentrieren“, sagt Michal Pospíšil, zweiter Bürgermeister von Eger. Die denkmalgeschützten Wahrzeichen als Schmuckstücke zu erhalten, hat deshalb oberste Priorität.


Immer mehr Spielhallen (Herna) und Casinos gibt es in Asch. Doch die Stadt hat nur wenig Handhaben dagegen. Foto: Beate FranckSeit dem Beitritt Tschechiens in die Europäische Gemeinschaft kann die Stadt dafür Fördermittel aus dem EU-Strukturfonds beantragen. In der Regel fließen jetzt 85 Prozent der Investitionssummen aus Brüssel. Der Eigenanteil der Kommune verbleibt bei 15 oder sogar nur 7,5 Prozent, wenn der tschechische Staat noch Mittel beisteuert. Das lohnt sich. Rund 40 Millionen Kronen (1,5 Millionen Euro) hat die Stadt Eger selbst in den Grunderhalt des Franziskanerklosters stecken müssen. Die Restaurierung von Kreuzgang und Bibliothek aber soll die EU finanzieren. Damit soll die Klosteranlage zu einem Touristenmagneten werden. Ähnlich ist es bei der Burg, die die meisten Besucher anzieht. 2006 war sie bereits Teil der grenzüberschreitenden Gartenschau mit der fränkischen Partnerstadt Marktredwitz. Nun soll sie mit Finanzhilfe aus Brüssel weiter renoviert werden. Denn 2013 plant Eger eine neue Gartenschau, diesmal mit Tirschenreuth in der Oberpfalz. In die soll das Burggelände wieder einbezogen werden.Ein Kulturerbe wie Eger kann die Nachbarstadt Asch nicht mehr vorweisen. Lücken prägen das Bild der 13.000 Einwohner zählenden Gemeinde unmittelbar hinter der bayerischen Grenze. Nach den Verwüstungen durch den Zweiten Weltkrieg und dem Verfall vieler Häuser wurde die alte Bausubstanz vielfach einfach weggerissen. Mit der EU-Mitgliedschaft sieht jedoch auch Bürgermeister Dalibor Blažek eine Chance, diese alten Wunden zu schließen. Mehr noch als Eger setzt Asch dabei konsequent auf die Zusammenarbeit mit der deutschen Nachbarschaft. Projektpartner in Sachsen und Bayern ermöglichen der böhmischen Stadt Zugang zu EU-Geldern. „Damit wollen wir Asch ein neues Gesicht geben“, sagt Blažek.Die Investitionen in den Tourismus sollen nicht nur das Image der Städte verbessern helfen, sondern auch Arbeitsplätze schaffen. Die Arbeitslosigkeit ist seit Beginn der Wirtschaftskrise sprunghaft auf zehn Prozent gestiegen. Die Erweiterung des vollbelegten internationalen Industrieparks in Eger ist ungewiss. In Asch liegt die geplante Milliarden-Investition der Prager BCD-Group auf Eis, die einen riesigen Industriepark mit Hotel, Einkaufs- und Kongresszentrum, Privatklinik, Wohn- und Büroblocks errichten und zehntausend neue Arbeitsplätze schaffen will. Zurzeit werden in der Region nur Stellen abgebaut. Ganz von dem alten Image haben sich die beiden Städte indes noch nicht lösen können. In Eger, sagt
Bürgermeister Michal Pospíšil, sei das Rotlicht-Milieu inzwischen auf einige „problematische Stellen“ in der Stadt zurückgedrängt. Er hofft, dass in der Wirtschaftskrise das Geld auch bei Sex-Kunden nicht mehr so locker sitzt und das Rotlicht-Milieu weiter ausgetrocknet wird. In Asch mehren sich indes die Werbeschilder für Spielcasinos. Rund 30 solcher Spielautomatenhallen und Casinos gibt es bereits, allein die Hälfte entlang der Hauptstraße. Die vietnamesischen Händler auf den Asia-Billigmärkten steigen wegen sinkender Nachfrage zunehmend auf das Jeton-Geschäft um.


Besuchertreffpunkt ist der historische Egerer Marktplatz mit dem Brunnen des Ritters Roland und dem Stöckl (Spaliček). Foto: Beate FranckDie Spielhallen sind dem Bürgermeister ein Dorn im Auge: „Es gefällt uns nicht, dass wir als ,Las Vegas` angesehen werden.“ Dagegen machen kann er wenig. Zu großzügig zeige sich das Prager Finanzministerium in Sachen Genehmigung, beklagt Blažek. Kein Wunder, denn der Löwenanteil der Steuereinnahmen fließt dorthin. So werden Entscheidungen vor Ort häufig konterkariert: „Wenn wir alte Automaten in einer Spielhölle verbieten, bewilligt das Ministerium sofort moderne neue“, erklärt  Blažek.So sieht der Bürgermeister noch viele Hindernisse vor sich, bis seine Stadt das gewünschte neue Gesicht bekommt. Die enge Kooperation mit den deutschen Nachbarn habe indes ein anderes Gespenst der Vergangenheit verscheucht. Blažek zeigt stolz eine Patenschaftsurkunde eines Vertriebenenverbandes. Darin wird auf alle Eigentumsansprüche verzichtet. Auch in Eger bemüht man sich, Brücken von der leidvollen Vergangenheit in die Zukunft zu schlagen. Auf dem Friedhof haben vor wenigen Monaten die Gebeine von 5000 deutschen Wehrmachtssoldaten ihre letzte Ruhe gefunden. Die Aktion ging mit der Sanierung des Friedhofs einher und wurde von deutscher Seite finanziert. Beate Franck
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