Bosnien-Herzegowina

Cevapcici zum Après-Ski

So schnell geht es sonst wohl nur selten auf die Piste: Wer sich am Flughafen von Sarajevo einen Mietwagen oder ein Taxi leistet, steht gut eine halbe Stunde später schon am Lift. Auch dieses Jahr sind die Berge um die Hauptstadt Sarajevo wieder bedeckt von dicken Schneemassen. Und trotzdem denkt kaum einer an Wintersport, wenn er „Balkan“ hört.

Zu Unrecht: Kälte und Schnee gibt es im gebirgigen Bosnien regelmäßig mehr als genug. Die Touristen kommen aus ganz Bosnien, auch aus Serbien und Kroatien, aus Belgrad, Dubrovnik oder Zagreb, wie die Autokennzeichen verraten. Auch deutsche oder dänische Autos sind dabei, sie gehören meist Diplomaten oder Entwicklungshelfern aus Sarajevo auf Wochenend-Erholung. „Die Gäste kommen inzwischen wieder von überall“, sagt der Kellner im Edel-Hotel Vucko („Wölfchen“). „So wie vor dem Krieg auch. Aber die Hotels sind inzwischen alle neu.“

Die beiden Skigebiete Bjelasnica und Jahorina vor den Toren der Stadt haben zusammen etwa 30 Kilometer Skipiste zu bieten – einfache blaue, meist rote, aber auch ein paar steile schwarze Abfahrten in bis zu 2.000 Metern Höhe. Immerhin wurde auf beiden Bergen einmal um Gold und Silber gekämpft. Manche in der Stadt erinnern sich noch gut an die olympischen Winterspiele 1984, als Sarajevo weltweite Berühmtheit erlangt hatte. Mit den Winterspielen verbanden sich für die Funktionäre im alten Jugoslawien große Hoffnungen: Der olympische Geist sollte der Stadt ein Image des Friedens und Fortschritts verleihen, was nur für wenige Jahre gelang.

Der Krieg war in den Bergen am heftigsten und zog auch die Anlagen und Hotels in Mitleidenschaft. Von den Zerstörungen ist heute allerdings nichts mehr zu sehen. Lifte und Hotels wurden erneuert und erweitert. Die Hotels bieten die typische bosnische Mischung aus eher traditionellen Satteldachhäusern, über die im serbischen Teil beliebten Türmchen, Arkaden und Balkonen, bis hin zu futuristischen Betonkonstruktionen. Bauregeln gibt es nicht, jeder macht‘s nach seinem Geschmack.

Bjelasnica war 1984 der Berg der Ski-Herren und die Jahorina der Berg der Frauen. Heute liegen die beiden Gebiete, die nur wenige Kilometer auseinander liegen, in unterschiedlichen Landesteilen, was aber nur politisch eine Rolle spielt. „Die Jahorina war schon immer etwas für die Elite“, sagt ein Tourist aus Sarajevo. „Dorthin geht man, um gesehen zu werden. Die Bjelasnica war mehr für die normalen Leute. Da ging es nur ums Skifahren.“ Heute fährt man aus Sarajevo auch schon mal ins „Hotel Marsal“ in Bjelasnica, um gesehen zu werden.

Das Hotel, benannt nach keinem anderen als Marschall Tito, sieht von außen aus wie ein Raumschiff mit Holzfassade. Es begrüßt den Gast mit dem Pelz eines in der Nähe geschossenen Bären und bietet ansonsten alles, was dazu gehört: Restaurants und Cafes mit tiefen Sesseln, Diskothek, Fitnessräume und Tennishalle. Selbst einen Supermarkt gibt es in der kleinen Siedlung.

Im Skigebiet um Sarajevo lässt sich auch die nötige Ausrüstung für ein paar eins zu ein an den Euro gekoppelte „Konvertible Mark“ ausleihen. Die Tageskarte kostet umgerechnet 15 Euro. Die jüngere Generation fährt Snowboard und bleibt immer auf der Piste. Das ist hier ohnehin angeraten, denn abseits, in den Wäldern, lauert in den Bergen um Sarajevo noch immer die Minengefahr. Deren Beseitigung ist auch 16 Jahre nach Ende des Bosnienkrieges lange nicht abgeschlossen. Aber auf den Pisten ist es ungefährlich. Und wer es etwas aufregender haben möchte, kann sich bei gutem Wetter auch in die Lüfte begeben. In einer Segelschule lässt sich das Paragliding erlernen, wofür sich die Hänge ausgezeichnet eignen – auch im Winter. 200 Tage im Jahr, also mehr als die Hälfte der Zeit, liegt Schnee, verkündet der Touristenprospekt.

Wenn er nicht in den großen Hotelanlagen übernachten will, kann sich der Tourist eine der typischen Balkanskihütten mieten, kleine schmucke Holzhäuschen mit zwei oder gar drei Stockwerken, deren steiles Dach bis auf die Erde herunter reicht, und die darum aussehen wie halb im Erdboden versunken. Nach der Piste gibt es Cevapcici und Slivovic, den typischen Pflaumenschnaps, in verrauchten Hüttenkellern. Auch die Geschichten aus der guten alten Zeit sind dann zu hören – natürlich gratis.


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