Djukanovics Sieg ist sicher
Montenegro ist ein Vielvölkerstaat. Von den gut 620.000 Einwohnern bezeichnen sich – gemäß der letzten Volkszählung von 2003 – 43,2 Prozent als Montenegriner, 32 Prozent als Serben, 11,7 Prozent als Bosniaken bzw. Muslime, 5 Prozent als Albaner und1,1 Prozent als Kroaten. Mit 13.812 Quadratkilometern ist der Kleinstaat an der Adria um rund einen Drittel kleiner als Hessen.
Seit 1991 ist Ministerpräsident Milo Djukanovic Montenegros unbestrittene Führungsfigur. Er wird dies auch nach der vorgezogenen Parlamentswahl vom Sonntag bleiben – trotz Wirtschaftskrise. Umfragen sagen seiner Demokratischen Partei der Sozialisten (DPS) einen haushohen Sieg voraus. Die einzige wirklich spannende Frage nach Schließung der Wahllokale in der kleinen Adria-Republik mit ihren 620.000 Einwohnern wird sein: Gewinnt die Liste "Europäisches Montenegro" aus Djukanovics DPS und drei kleinen Bündnispartnern die absolute Mehrheit im 81 Sitze umfassenden Parlament oder nicht? Umfragen sagen der Liste, der auch je eine Partei der bosniakischen beziehungsweise kroatischen Minderheit angehören, derzeit rund 50 Prozent der Stimmen voraus. Doch selbst wenn es für eine Alleinregierung nicht ganz reichen sollte, muss der 47-jährige Djukanovic die stark zersplitterte Opposition bei der zweiten Parlamentswahl seit Montenegros Unabhängigkeit nicht fürchten.
Die einzelnen Gruppierungen sind zerstritten und ideologisch zu verschieden, als dass von ihnen eine Gefahr für das "System Djukanovic" ausgehen könnte.Djukanovic, der 1991 im Alter von 29 Jahren erstmals zum Regierungschef der damals noch jugoslawischen Teilrepublik Montenegro gewählt wurde, hatte bis auf eine kurze Unterbrechung bis heute stets das Amt des Premierministers oder des Präsidenten inne. Zunächst als Verbündeter des damaligen serbischen Machthabers Slobodan Milosevic führte Djukanovic Montenegro weitgehend unbeschadet durch die Wirren der Balkankriege.
Dies danken ihm unzählige Bürger bis heute und sehen es ihm nach, dass er immer wieder mit Mafia-Kreisen und Zigarettenschmuggel in Verbindung gebracht wurde. 1996 begann sich Djukanovic von Milosevic abzuwenden und schlug einen eigenständigen klar pro-europäischen Kurs ein. Ethnische Spannungen in der Vielvölker-Republik (vgl. Box) konnte er vermeiden. Das mit 55,5 Prozent der Stimmen – gerade auch mit jenen der ethnischen Minderheiten der Albaner und muslimischen Bosniaken – gewonnene Referendum über die staatliche Unabhängigkeit und die Herauslösung Montenegros aus der Union mit Serbien am 21. Mai 2006 war die bisherige Krönung der Karriere des einstigen Jungkommunisten Djukanovic.
Als nächstes Ziel strebt Milo Djukanovic nun die Integration seines Landes in die euroatlantischen Strukturen an. Am 15. Dezember letzten Jahres reichte Montenegro überraschend selbstbewusst in Brüssel den Antrag auf die EU-Mitgliedschaft ein und überholte damit nicht nur die Nachbarn Bosnien und Herzegowina und Albanien, sondern vor allem auch den "großen Bruder" Serbien. Mit den Herausforderungen, die der Prozess der EU-Annäherung mit sich bringe, begründete die DPS denn auch die Vorverschiebung der Parlamentswahl vom – wie es eigentlich mit der Opposition ausgemacht war – Herbst 2009 auf den 29. März. Der Weg in Richtung EU müsse "von den staatlichen Institutionen, besonders der Regierung und dem Parlament, mit einem kompletten Mandat über vier Jahre zu Ende geführt werden", sagte Predrag Sekulic, der politische Direktor der DPS. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn hatte vor wenigen Tagen Montenegro für seine Fortschritte und die Geschwindigkeit auf dem Weg in Richtung Brüssel ausdrücklich gelobt. Bei der jüngsten Meinungsumfrage Mitte März sprachen sich 76 Prozent der Montenegriner für und 11 Prozent gegen eine EU-Mitgliedschaft ihres Landes aus.
Beim Nato-Beitritt allerdings, der ebenfalls auf der politischen Agenda Djukanovics steht, sind die Befragten skeptisch. Gerade einmal 31 Prozent wollen dem Militärbündnis beitreten, 45 Prozent lehnen dies ab.Die montenegrinische Opposition, aber auch viele politische Beobachter, sehen dagegen Kalkül als Grund für die Vorverschiebung der Parlamentswahl. Die Regierung wolle noch schnell wählen lassen und sich möglichst viel Macht für vier weitere Jahre sichern, bevor als Folge der Wirtschaftskrise "riesige soziale Probleme ausbrechen in Montenegro", warnte etwa Predrag Popovic von der oppositionellen Volkspartei. Tatsächlich dürften die negativen Auswirkungen der Krise in dem vor allem auf Badetourismus ausgerichteten Montenegro in den Sommer- und Herbstmonaten besonders stark spürbar werden. Gerade die russischen Touristen und Immobilien-Käufer, die das Urlaubsland in den letzten Jahren buchstäblich überrannten, halten sich derzeit zurück.
Die Frühbuchungen für die bevorstehende Sommersaison sind im Vergleich zum Vorjahr dramatisch eingebrochen.Seit dem Unabhängigkeits-Referendum 2006 erlebte der junge Staat einen wahren Wirtschaftsboom. Das Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf und Jahr stieg von 3000 auf 5000 Euro im Jahr 2008, während die Arbeitslosigkeit von 20 auf 11 Prozent zurückging. Zudem flossen in den letzten zwei Jahren rund zwei Milliarden Euro durch den Verkauf von Grundstücken und Immobilien an Ausländer nach Montenegro. Damit dürfte nun vorläufig Schluss sein. War die Wirtschaft in der kleinen Adria-Republik in den letzten beiden Jahren noch um jeweils acht Prozent gewachsen, schließt Finanzminister Igor Luksic für dieses Jahr sogar ein Nullwachstum nicht mehr aus.