Tankstellen zum Geldwaschen
Im Dezember letzten Jahres konnte die EU-Rechtsstaatsmission Eulex endlich ihre Arbeit auf dem gesamten Gebiet Kosovos aufnehmen. Erst nach Zugeständnissen hatte Serbien seinen Widerstand gegen die Mission aufgegeben (vgl. Infokasten). Bis zu 1.900 ausländische Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Zollbeamten unterstützen Kosovo seitdem beim Aufbau von rechtsstaatlichen Strukturen und arbeiten dabei mit rund 1.100 einheimischen Mitarbeitern zusammen. Chef der größten und teuersten zivilen Krisen-Mission in der EU-Geschichte ist der pensionierte französische General Yves de Kermabon. Für die ersten 16 Monate sind Ausgaben von 205 Millionen Euro aus dem EU-Budget vorgesehen.
Die vom Düsseldorfer Polizeidirektor Rainer Kühn (53) geleitete Polizeieinheit – mit ungefähr 1.300 Angehörigen die weitaus größte Abteilung innerhalb der Eulex – hat im März nun ihre Personalstärke fast erreicht. Die wichtigste Aufgabe seiner Leute sei nicht die eigentliche Polizeiarbeit, sondern die Beratung und Beobachtung der rund 7.500 Frauen und Männer starken Kosovo-Polizei, erklärt Kühn. Er wird nicht müde zu betonen: "Die Hauptverantwortung liegt klar beim kosovarischen Innenministerium." Allerdings verfügen die Eulex-Polizisten – unter ihnen rund 100 Deutsche – über so genannte korrektive Befugnisse und können die Ermittlungen in einzelnen Fällen übernehmen, "zum Beispiel, wenn es um interethnische Verbrechen geht oder wenn das Risiko besteht, dass die lokalen Beamten von der organisierten Kriminalität unter Druck gesetzt werden", sagt der Eulex-Polizeichef.
Auch Belgrad für Eulex
Erst nach wochenlangem politischem Tauziehen gab Serbien im Dezember 2008 grünes Licht für die Stationierung der Eulex auch in den serbisch besiedelten Gebieten Kosovos. Nebst zahlreichen Sonderkonditionen für die rund 130.000 Menschen umfassende serbische Minderheit in Kosovo hatte Belgrad vor allem durchgesetzt, dass sich die Eulex hinsichtlich des Status' Kosovos neutral zu verhalten habe. Zudem sind die etwas mehr als 300 Polizisten im vorwiegend von Serben bewohnten Nordteil Kosovos nicht dem kosovarischen Polizeichef in Prishtina unterstellt, sondern direkt der Eulex und damit Rainer Kühn. Die Kosovo-Serben hatten ihre Bereitschaft zur Kooperation mit der Eulex von der Zustimmung aus Belgrad abhängig gemacht. Serbien lehnt – mit Unterstützung Russlands – eine Anerkennung der am 17. Februar 2008 ausgerufenen staatlichen Unabhängigkeit Kosovos strikt ab und betrachtet das Gebiet nach wie vor als seine südliche Provinz. Bislang haben 56 Staaten – darunter Deutschland, 21 weitere EU-Länder, die USA und die Schweiz – Kosovo anerkannt.
Die Eulex, die auf Einladung der Regierung Kosovos im Land arbeitet, hat aber auch exekutive Befugnisse und kann in gewissen Fällen unabhängig von den kosovarischen Behörden aktiv werden. Im Polizeibereich geht es um Ermittlungen im Zusammenhang mit Kriegsverbrechen, organisierter Kriminalität, der Überwachung von Geldflüssen und der Terrorbekämpfung. Kühn, der schon an früheren polizeilichen Auslandseinsätzen in Bosnien und Herzegowina sowie in Mazedonien in leitender Funktion beteiligt war, macht vor allem die organisierte Kriminalität in Kosovo Sorgen. "Ja, das ist ein ernstes Problem – wir haben klare Erkenntnisse darüber", sagt der Eulex-Polizeichef. Die große Anzahl an Kasinos, Tankstellen und Motels, die weit über dem Bedarf eines Landes mit rund zwei Millionen Einwohnern liegt, würden auf Geldwäsche hinweisen und seien "eindeutige Indikatoren für organisierte Kriminalität".
Für Rainer Kühn ist klar, dass gerade die kriminellen Strukturen an einer stabilen politischen Lage keinerlei Interesse haben. Als "zwar ruhig, aber außerordentlich fragil" bezeichnet er die aktuelle Situation in der zwischen Serben und Albanern geteilten Stadt Mitrovica, dem Brennpunkt des Landes. "Ein Funke reicht, und die organisierte Kriminalität versucht, die Gewalt hier eskalieren zu lassen", stellt der Eulex-Polizeichef besorgt fest. Diese Zwischenfälle würden dann "sehr schnell als interethnische Gewalt dargestellt. Es gibt politische Hardliner, die solche Missinterpretationen fördern". Man habe auch Anhaltspunkte, dass es "Verflechtungen zwischen organisierter Kriminalität und Politik geben könnte".
Rainer Kühn weiß, dass die kosovarische Bevölkerung wenig Vertrauen in die eigenen Behörden hat und deshalb auf die Eulex hofft – und schnelle Resultate vor allem in der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der grassierenden Korruption sehen will. Ohne Details zu nennen, verkündet der Eulex-Polizeichef, "bald Erfolge präsentieren zu können". Die noch sehr junge kosovarische Polizei, die nach dem Kosovo-Krieg 1999 mit massiver internationaler Unterstützung aufgebaut wurde, nennt Kühn "eine Erfolgsgeschichte". In dieses Kompliment schließt er auch die Polizisten im serbisch dominierten Nordkosovo mit ein, denen er hohe Professionalität bescheinigt – auch in der Zusammenarbeit mit der Eulex. Ein großes Problem, so Kühn, sei aber die unzureichende Kooperation zwischen der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Gerade in diesem Bereich wolle die Eulex bei den von ihr selbst bearbeiteten Fällen nun mit gutem Beispiel vorangehen.