Präsident auf Lebenszeit?
Am Mittwoch findet in Aserbaidschan ein Referendum über eine Änderung der Wählbarkeit von Präsidenten statt. Bis jetzt kann laut dem Grundgesetz Aserbaidschans eine Person nur zwei Mal zum Präsidenten gewählt werden. Dies soll nun aufgehoben werden. Außerdem sollen sich die Menschen in Aserbaidschan bei der Abstimmung noch zu über zwanzig weiteren Fragen äußern, darunter die Verlegung von Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Kriegsfall.
Die Opposition sieht das Referendum als einen Versuch des amtierenden Präsidenten Ilham Alijew, seine Macht im Land zu zementieren. Der Plan Alijews, sich eine unbegrenzte Regentschaft zu ermöglichen, dürfte nach Meinung von Experten gelingen, denn Alijew und seine Regierung haben momentan keine starken Gegner. Die Opposition wird nicht nur durch den Präsidenten massiv unterdrückt. Ihr fehlt auch die Unterstützung aus der Bevölkerung.
Während die offiziellen Vertreter der EU und der USA das Referendum als innere Angelegenheit Aserbaidschans werten, kritisierte der Präsident der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) Luis Maria de Pouch in der aserbaidschanischen Internet-Zeitung Day.Az das Ziel des Referendums: „Beim Eintritt in den Europäischen Rat verpflichtete sich Aserbaidschan die Prinzipien der Demokratie, der Oberhoheit des Gesetzes und der Menschenrechte zu erfüllen.“ Dies sei indes nicht der Fall.
Im Westen ist Alijew als bequemer Partner für Öl- und Gasgeschäfte bekannt. Statt der in Verhandlungen mit Partnern immer wieder versprochenen Demokratie entwickelte er allerdings eine Familiendiktatur. Die Milliarden, die das Land aus dem Ölexport bekam, dienten nicht der Verbesserung der materiellen Situation der aserbaidschanischen Bevölkerung. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren gingen hunderttausende Menschen als Arbeitsemigranten nach Russland, um ihre Familien versorgen zu können. Korruption, Armut und Prostitution erreichten astronomische Höhen im Land. Außerdem beschuldigt die Opposition Alijew, kein Interesse an der Lösung des Konflikts um Berg Karabach zu haben. Seit 1994, seit dem Waffenstillstand zwischen Aserbaidschan und Armenien, konnte weder sein Vater noch Alijew selbst in Verhandlungen zu der abtrünnigen Autonomie Berg Karabach etwas erreichen. Sie, wie auch sieben weitere aserbaidschanische Bezirke, bleiben nach wie vor von Armenien besetzt. Deshalb befindet sich das Land faktisch seit 1994 im Kriegszustand. Der „Kriegsfall“, in dem den geplanten Änderungen zufolge Wahlen verlegt werden dürfen, liegt also permanent vor.
Dass die Pressefreiheit in Aserbaidschan massiv bedroht ist, zeigt unter anderem die Tatsache, dass seit 1. Januar der Auslandssender der BBC, „Voice of America“, („Stimme Amerikas“) und „Freedom“ („Freiheit“) nicht mehr in den nationalen Frequenzen Aserbaidschans senden können. Proteste aus Washington und Brüssel sowie von internationalen Organisationen blieben bis jetzt wirkungslos. Die genannten Auslandssender sind der aserbaidschanischen Regierung ein Dorn im Auge, weil sie in der Vergangenheit der aserbaidschanischen Opposition immer häufiger ein Forum gegeben hatten. Ilham Alijew, Sohn des einstigen Diktator Hejdar, bekämpfte seit seinem Machtantritt 2003 die Pressefreiheit noch grausamer als sein verstorbener Vater: In den vergangenen zwei Jahren sind 17 regierungskritische Journalisten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden, fünf davon sitzen immer noch im Gefängnis.
2008 wurde Alijew zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt – gleich danach begann die Diskussion der Parlamentarier über seinen Vorschlag, per Referendum Änderungen im Grundgesetz durchzusetzen. Ende Dezember nahm der Plan die Hürden beim Parlament und beim Verfassungsgericht des Landes.