Ukraine

Geheimdienste greifen in Führungsstreit ein

Razzien, Drohungen, Ermittlungen, Parlamentsbeschlüsse: Der Konflikt zwischen Premierministerin Julia Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko ist längst keiner mehr, der bloß mit Worten ausgetragen wird. Vor allem die Sicherheitsdienste werden jetzt zum Werkzeug und zum Zankapfel politischer Interessengruppen – vor allem der Geheimdienst SBU, der unter Ex-Präsident Kuchma als „Staatssicherheit“ gefürchtete KGB-Nachfolger.Die ukrainische Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen gegen den Geheimdienst aufgenommen – wegen angeblich „illegaler Aktivitäten“.

Der Chef des Geheimdienstes sei inzwischen verhört worden, hieß es am Freitag. Mehr wurde allerdings nicht bekannt. Die Ermittlungen wurden offensichtlich auf Betreiben der von Timoschenko geführten Regierung aufgenommen.Kurz zuvor hatte ein hoher Vertreter des SBU der Regierung unverhohlen gedroht. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Agenten der hauseigenen Sondereinheit „Alfa“ Büros der Regierung durchsuchen könnten. In der vergangenen Woche hatte die Alfa bereits die Zentralen des ukrainischen Gaskonzerns Naftogaz sowie eines weiteren staatlichen Gasunternehmens gestürmt, besetzt und durchsucht. Diese Aktion fasste das politische Lager von Premierministerin Timoschenko als politisches Signal auf. Denn an der Spitze des SBU sitzen ausschließlich Getreue von Präsident Juschtschenko.

Juschtschenko indes wies die Anschuldigungen, er habe den Auftrag für die Einsätze gegeben, zurück. Zugleich lobte er die Aktionen und den Geheimdienst aber demonstrativ. Die Führung des SBU nannte er die „Blaublüter“ der Nation, seine Agenten die „größten Patrioten“.Schon seit längerem ist Juschtschenko das von Rivalin Timoschenko ausgehandelte Gasabkommen mit Russland ein Dorn im Auge. Dies könnte handfeste wirtschaftliche Gründe haben. So soll es enge Verflechtungen zwischen Juschtschenkos Bürochef und dem Zwischenhändler RosUkrEnergo geben. Und der spielt im jetzt geltenden Liefervertrag, den Timoschenko ausgehandelt hat und der den wochenlangen Gasstreit mit Russland beenden sollte, keine Rolle mehr.

Timoschenko ließ zuletzt in mehreren Äußerungen keinen Zweifel daran, dass sie Juschtschenko lieber gestern als morgen aus dem Amt gedrängt sehen würde. Laut Plan sollen im Januar 2010 Präsidentenwahlen stattfinden. Timoschenko fordert jedoch, die Wahl vorzuziehen. Sie selbst erklärte, für das Präsidentenamt kandidieren zu wollen.Noch etwas anderes könnte Juschtschenko vorzeitig aus dem Amt befördern: ein Absetzungsverfahren, das Timoschenkos Partei im Parlament aktiv betreibt. Mit deren Stimmen und zum Teil auch den Stimmen der Juschtschenko-Partei NU-NS nahm das Parlament eine Erklärung an, in der der Präsident persönlich für die wirtschaftliche Misere der Ukraine verantwortlich gemacht wird. Parlamentarier und Beobachter werten dies als rechtliche Basis für ein Absetzungsverfahren – von dem in den Reihen des BYuT offen die Rede ist.


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