STABILES WANKEN
Polens Regierung und Opposition streiten über Konjunkturprogramme und Euro-Einführung(n-ost) – Auch in Polen gibt es den Problemfall Opel. Die Fabrik des US-amerikanischen Autoherstellers beschäftigt im südpolnischen Gliwice rund 3000 Arbeitnehmer und ist für die 200.000-Einwohner-Stadt und die angrenzende Sonderwirtschaftszone mit ihren niedrigen Steuersätzen ein Zugpferd von hoher wirtschaftlicher Bedeutung – aber eben nur von regionaler. Dass die Fabrik seit Jahren gut wirtschaftet und zu den produktivsten im GM-Konzern gehört, könnte bei einer Umstrukturierung des Konzerns zwar ein Trumpf sein – doch eine Garantie für einen Fortbestand gibt es nicht. Und Hilfe seitens der polnischen Regierung auch nicht.Denn das Kabinett von Premier Donald Tusk hat nicht vor, im großen Maße in die Konjunktur einzugreifen und Programme zur wirtschaftlichen Belebung aufzulegen. Im Gegenteil: Beschlossen wurde nachträgliches Sparen beim aktuellen Haushalt in Höhe von rund 20 Milliarden Zloty, (etwa 4,3 Milliarden Euro). Einschnitte gibt es bei den Verteidigungsausgaben, aber auch beim Wissenschaftsetat. Ihre Sparpolitik begründet die Regierung etwa mit den Maastricht-Kriterien, die man bei einer weiteren Verschuldung nicht mehr erfüllen kann. Damit könnte die Euro-Einführung in weite Ferne rücken.Eine andere Ursache für diese Politik ist aber, dass die globale Krise in Polen bislang nicht so durchschlägt wie in vielen anderen Staaten. Denn das Land gilt mit seiner Ökonomie immer noch als recht stabil. Während das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland im IV. Quartal 2008 bereits um 2,1 Prozent schrumpfte, gab es in Polen ein Wachstum von 2,9 Prozent. Das Land zählt heute zu den wenigen Staaten in der EU, für die die meisten Ökonomen und internationale Organisationen auch für das I. Quartal 2009 mit einem minimalen Wachstum rechnen – hauptsächlich bedingt durch den Inlandskonsum. Denn die Polen konsumierten zumindest bis Ende 2008 munter weiter, auch weil ihre Einkommen in den vergangenen drei Jahren im Schnitt um bis zu 10 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Und noch im Sommer 2008 lag die Arbeitslosigkeit auf einem fast historischen Tief und etwa im Schnitt aller EU-Länder.Nun aber ist die Quote nach jüngsten Angaben des Statistischen Hauptamtes (GUS), das etwas anders als die Eurostat-Behörde rechnet, um ein auf 10,5 Prozent gestiegen. Und ein weiterer Anstieg der Erwerbslosenzahl scheint unausweichlich, viele Unternehmen haben bereits Massenentlassungen angekündigt, denn vor allem der polnische Export ist massiv eingebrochen. Er geht zu weit über 60 Prozent nach Westeuropa – und dort ist die Nachfrage besonders stark gesunken. Die Industrieproduktion in Polen ist im Januar 2009 um 15 Prozent zurückgegangen, in einigen Branchen wie der Stahl- und Automobilproduktion um 40 bzw. 36 Prozent. Viele polnische Unternehmen haben sich zudem bei Optionsgeschäften mit Währungen verspekuliert – das Ausmaß des Schadens geht in die Milliarden.Und dann ist da der Problemfall Zloty. Die polnische Währung hat in den letzten Monaten massiv gegenüber dem Euro verloren, nachdem etliche Banken teils gezielt gegen sie spekulierten. Begründet wurde der Rückzug aus dem Zloty mit schlechten Chancen für den polnischen Staat und heimische Unternehmen, in der globalen Rezession Mittel auf dem Kapitalmarkt beschaffen zu können. Beobachter schätzen aber, dass der Kurs auch künstlich nach unten getrieben wurde. Goldman Sachs gab seine Spekulationen gegen den Zloty Mitte Februar sogar zu, man werde sich aber nun aus dieser Spekulationsspirale zurückziehen, versprachen Vertreter des Geldinstituts.Massiv entbrannt ist vor diesem Hintergrund auch die innenpolitische Diskussion um die ursprünglich für 2012 avisierte Übernahme des Euro als Währung. Die liberal-konservative Regierung von Premier Tusk forciert den Beitritt zum Gemeinschaftsgeld und möchte sobald als möglich dem Wechselkursmechanismus WKM II beitreten – eine notwendige Voraussetzung vor der Einführung des Euro. Doch die Opposition spielt hier nicht mit. Vorgänger-Premier Jaroslaw Kaczynski und seine national-konservative Partei PiS stellen die Einführung des Euro generell in Frage und verlangen ein Referendum. Andere Oppositionsgruppierungen wollen den Beitritt zur Euro-Zone in einer für den polnischen Zloty günstigeren Situation über die Bühne bringen – und die Euro-Einführung unter Umständen verschieben.Der schwache Zloty trifft dabei vor allem die Normalverbraucher. So haben in den letzten Jahren mehr und mehr Polen ihre Hypothekenkredite nicht in dem heimischen Zloty aufgenommen, sondern in Schweizer Franken. Sie kalkulierten dabei mit niedrigeren Zinsen – und eben auch mit einem starken und stabilen Zloty. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen, der Zloty verlor auch gegenüber dem Franken allein in den letzten sechs Monaten rund 40 Prozent an Wert. Die zurückzuzahlenden Kreditsummen schnellten in die Höhe, viele können das Geld nun gar nicht mehr zurückgeben.Einige Gewinner eines schwachen Zloty gibt es aber freilich. So rechnen polnische Tourismusorganisationen mit einer starken Zunahme von ausländischen Gästen, sollte der Zloty weiterhin so schwach bleiben. Auch der Handel im Grenzgebiet mit Deutschland blüht wegen der schwachen polnischen Währung auf, so viele Deutsche wie seit langem nicht mehr pilgern in grenznahe Städte östlich der Oder und Neiße, um kräftig einzukaufen – und zu sparen. Denn während man noch im Sommer für einen Euro nur etwa 3,30 Zloty erhielt, steht das Verhältnis nun bei etwa 1 zu 4,7 – zugunsten des Euro.Die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro wird sich wahrscheinlich über das Jahr 2012 verzögern – doch auf eine andere EURO setzen in Polen sowohl Politik als auch Wirtschaft: Die Fußball-Europameisterschaft EURO 2012 in Polen und der Ukraine wird als große wirtschaftliche Chance gesehen, die Investitionen etwa in die Infrastruktur sind wichtiger Impuls – und einen Streit über den Zeitpunkt der Austragung gibt es in Polen nicht.Jan und Katarzyna Opielka
ENDE
Nachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 259 32 83 - 0